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Schattengilde 03 - Unter dem Verrätermond

Titel: Schattengilde 03 - Unter dem Verrätermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Flewelling
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erzählt und ihn gefragt, ob so etwas im Bereich des Möglichen läge.
    Der alte Zauberer hatte ihn lediglich mit einem nachsichtig tadelnden Blick bedacht und gefragt: »Wenn du diese Macht kontrollieren könntest, mein lieber Junge, wäre sie dann immer noch so verlockend?«
    Damals, so erinnerte er sich bekümmert, war ihm diese Antwort absurd erschienen.
    Gerade zu diesem Zeitpunkt ging ein besonders mächtiger, strahlender Blitz über dem Iia’sidra nieder und verwandelte den Fensterausschnitt, aus dem er hinausblickte, in ein Rechteck gleißender Helligkeit. In diesem Moment sah Thero die schwarzen Umrisse einer Gestalt wie in einem hell erleuchteten Türrahmen.
    Dann war das Fenster wieder dunkel, und ein Donnerschlag erschütterte das Gebäude, gefolgt von einer weiteren Böe. Trotzdem war die Gestalt keine von der Blendung verursachte Täuschung. Eine junge Rhui’auros stand da, stützte sich mit einer Hand locker an den Fensterrahmen, und starrte ihm quer durch den Raum direkt in die Augen. Ihre Lippen bewegten sich, und er hörte ein Flüstern in seinem Geist: Komm später zu uns, mein Bruder. Die Zeit ist gekommen.
    Ehe Thero auch nur nicken konnte, war sie in einem Farbenwirbel verschwunden.
    Erleichtert stellte er fest, dass der Rat sich an diesem Tag schon früh vertagte, wenngleich er sich kaum in der Lage fühlte, irgendjemandem zu erzählen, was besprochen worden war. Als er Klia und den anderen in den Sturm hinaus folgte, sah er, dass die Frau neben seinem Pferd auf ihn wartete. Sie war sehr jung und hatte grau-grüne Augen, die unter dem lächerlichen Hut übermäßig groß wirkten. Ihre durchnässte Robe klebte an ihrem schmalen Leib wie eine knittrige zweite Haut, und der Wind hatte ihr Haar zu wirren Strähnen aufgepeitscht, die ihr unentwegt ins Gesicht schlugen. Sie hätte vor Kälte zittern müssen, doch sie tat es nicht.
    Klia betrachtete sie verwundert.
    »Mit Eurer Erlaubnis, Mylady, würde ich gern die Rhui’auros besuchen«, erklärte er.
    »Bei diesem Wetter?«, fragte Klia. Dann zuckte sie die Achseln. »Seid vorsichtig. Ich werde Euch morgen dringend brauchen.«
    Theros seltsame Begleiterin sagte keinen Ton, als sie sich auf den Weg machten. Ebenso wenig wollte sie sein Angebot zu reiten oder sich in seinen Mantel zu wickeln akzeptieren. Bald war er froh, eine Führerin zu haben. Bei diesem Wetter sah eine breite, verlassene Straße wie die andere aus.
    Als sie schließlich das Nha’mahat erreicht hatten, bedeutete das Mädchen ihm, abzusteigen, ehe sie ihn an der Hand nahm und über einen ausgetretenen Pfad zu der Höhle unterhalb des Turmes führte. Dampfwolken stiegen aus der niedrigen Öffnung empor und krochen über den Boden, um sich schließlich in feinen Schwaden im Wind aufzulösen. Der Felsen war an dieser Stelle von mineralischen Ablagerungen bedeckt, die sich zwischen unregelmäßigen schwarzen Streifen in weißer und gelber Farbe niederschlugen. Den Weg ins Innere hatten unzählige Füße über die Jahre geglättet.
    Mit vor ehrfürchtigem Erstaunen zugeschnürter Kehle folgte Thero der Frau in den großen, natürlich entstandenen Raum. Wenn Nysander sich nicht geirrt hatte, dann war dies der Schoß der Mysterien, die Quelle der Magie, die das Blut der Aurënen seinem Volk gebracht hatte.
    Die Höhle war feucht und schlicht, die groben Wände beinahe unverändert, abgesehen von einigen Lampen und einer Treppe, die sich in der Mitte der Höhle gleich einem Widderhorn emporkrümmte und deren ebene Trittflächen sich geradezu unpassend von der Umgebung abhoben. Aus einem Raum weiter oben drang Licht herab, und Thero roch den süßen Hauch von Weihrauch. Hier unten, in der schmucklosen Höhle gab es nichts Rituelles zu sehen. Dampf wogte aus unzähligen Rissen im Boden und von kleinen Pfuhlen auf. Rhui’auros und Faie bewegten sich so still wie Geister zwischen den Schatten.
    Das Mädchen ließ ihm keine Zeit, sich mit der Umgebung vertraut zu machen, sondern ging sogleich in einen der vielen Gänge, die von der Haupthöhle abzweigten. Dort gab es keine Lampen, und sie entzündete auch keine Fackel. Die Dunkelheit stellte jedoch für Thero kein Problem dar; als seine Augen den Dienst versagten, übernahmen andere Sinne ihre Aufgabe und zeigten ihm seine Umgebung in stillen Schattierungen von Schwarz und Grau.
    War dies ein Test, so fragte er sich, oder ging sie einfach davon aus, dass er über eine ähnliche Magie wie sie verfügte, dass die Zauberer der Tír im Dunkeln

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