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Schattengilde 03 - Unter dem Verrätermond

Titel: Schattengilde 03 - Unter dem Verrätermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Flewelling
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sehen konnten?
    Während sie weitergingen, wurde die Luft immer drückender, und Thero fühlte, dass sie sich abwärts bewegten. Kleine Gebilde, die an Bienenkörbe erinnerte, standen hier und dort am Wegesrand, gerade groß genug, einer oder zwei Personen Platz zu bieten. Als er im Vorübergehen mit den Fingern über eines der Gebilde strich, fühlte er dicke, feuchte Wolle unter seiner Haut. Lederlappen bedeckten eine kleine Tür und eine Öffnung an der Spitze der Kammern.
    »Dhima. Sie dienen der Meditation«, erklärte sie, nun doch endlich bereit, zu sprechen. »Ihr dürft sie benutzen, wann immer Ihr wollt.«
    Doch dies war offensichtlich nicht ihr augenblickliches Ziel. Der Gang beschrieb eine scharfe Rechtskurve, und die Luft wurde kälter, der Boden steiler und enger. Hier gab es keine Dhimas mehr.
    Dann und wann mussten sie sich ducken, wenn sich die Decke besonders stark herabsenkte. An anderen Stellen mussten sie sich mit Hilfe schwerer Taue, die an Eisenringen an der Wand befestigt waren, über größere Absätze hinabschwingen. Bald verlor er in der Finsternis jegliches Zeitgefühl, doch der Eindruck magischer Energie verstärkte sich mit jedem Schritt.
    Endlich erreichten sie wieder ebenen Boden, und Thero hörte ein Geräusch wie von einem Windzug im Geäst. Wenige Meter weiter beschrieb der Tunnel erneut einen Bogen, und plötzlich blinzelte er in der relativen Helligkeit lichten Mondenscheins. Überrascht blickte er sich um und erkannte, dass er am Rande einer Waldlichtung unter einem sternenklaren Himmel stand. Der Boden stieg sanft zum Rand eines schwarzschimmernden Tümpels an, und die Reflexion des Halbmondes leuchtete still auf der unbewegten Oberfläche, deren Ruhe durch nichts gestört wurde.
    Das Licht wurde heller. Thero sah sich um, konnte aber keine Spur von seiner Führerin mehr entdecken. Um den Tümpel jedoch drängten sich allerlei Gestalten. Alle, die er erkennen konnte, trugen die Roben und Hüte der Rhui’auros. Die aufgerichteten Haare an seinen Armen verrieten ihm, dass zumindest einige von ihnen Geister sein mussten, obwohl sie alle wie physische Präsenzen aussahen, sogar die mit dem lockigen schwarzen Haar und der dunklen Haut der Bash’wai. Hinter ihnen, zwischen den Bäumen des dichten, finsteren Waldes, bewegte sich etwas – unzählige Kreaturen von beachtlicher Größe.
    »Willkommen, Thero, Sohn des Nysander, Zauberer der Dritten Orëska«, polterte eine tiefe Stimme in der Dunkelheit. »Weißt du, wo du bist?«
    Durch die falsche Bezeichnung aus der Fassung gebracht, brauchte er einen Moment, um die Frage zu erfassen. Doch als er es geschafft hatte, kannte er auch die Antwort.
    »Am Vhadäsoori, Ehrwürdiger«, entgegnete er ehrfurchtsvoll flüsternd. Woher er das wissen konnte, blieb ihm verborgen – es war keine Spur von den Statuen zu sehen, und noch weniger von der Stadt selbst, aber die Magie, die von dem See ausströmte, war unverkennbar.
    »Du siehst mit den Augen eines Rhui’auros, Sohn des Nysander.«
    Das Mädchen, das ihn geführt hatte, trat aus der Menge hervor und bot ihm einen Becher aus einem hohlen Wildschweinhauer dar. Er war so lang wie sein Unterarm, eingebunden in ein kompliziertes Geflecht aus Lederriemen, die zu beiden Seiten Griffe bildeten. Thero umfasste sie, schloss die Augen und trank einen tiefen Schluck. In seinen Fingern vibrierte der Becher unter der Berührung von tausend Händen.
    Als er wieder aufblickte, war er mit dem Mädchen allein auf der Lichtung. Nun sah sie nicht mehr so jung aus, und ihre Augen waren flache Scheiben reinen Goldes.
    »Wir sind die Erste Orëska«, erklärte sie ihm. »Wir sind deine Vorfahren, deine Geschichte, Zauberer. In dir sehen wir unsere Zukunft, wie du in uns deine Vergangenheit schaust. Der Tanz geht weiter, und deine Art soll geheilt werden.«
    »Ich verstehe nicht«, sagte er.
    »Dies ist der Wille Auras, Thero, Sohn des Nysander, Sohn des Arkoniel, Sohn der Iya, Tochter des Agazhar aus dem Geschlecht Auras.«
    Sanfte, unsichtbare Hände lösten die Verschnürungen an Theros Kleidern, und sie fielen samt Schuhen von ihm ab. Ein Wille, nicht der seine, führte ihn zum Ufer und weiter, bis er bis zum Hals im Wasser stand. Das Wasser war winterlich kalt, kalt genug, ihm die Luft aus den Lungen zu treiben und wie Feuer auf seiner Haut zu brennen. Als er sich zum Ufer umwandte, stellte er verblüfft fest, dass er noch immer neben der Frau an Land stand.
    Dann wurde er unter Wasser gezogen.
    Das

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