Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Schattengilde 03 - Unter dem Verrätermond

Titel: Schattengilde 03 - Unter dem Verrätermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Flewelling
Vom Netzwerk:
sie in ein schlichtes Ritual zu betten. Damals hatte er eine Weile beinahe selbst aufgehört zu leben.
    Dieses Mal jedoch unterwarf sich Seregil ohne Murren den geforderten Enthaltungen und leistete Klia während der endlosen Beileidsbesuche Gesellschaft. Alec fühlte, dass sein Freund echte Trauer empfand, wenngleich Seregil sich wenig mitteilsam gab.
    Beka war diejenige, die ihn schließlich aus der Reserve lockte. Zu dritt hatten sie sich mit Thero in der zweiten Nacht im Zimmer des Zauberers getroffen und sich die Zeit mit oberflächlichen Gesprächen vertrieben.
    Thero wob im Kerzenschein aus den Schatten fantastische Gebilde, die über die Wände huschten. Seregil verhielt sich ungewohnt still, saß in nachlässiger Haltung auf seinem Stuhl, die Beine ausgestreckt und das Kinn auf eine Hand gestützt. Alec betrachtete eingehend das ernste Gesicht seines Freundes und fragte sich, ob Seregil Theros Schattenspiele beobachtete oder sich an seine eigenen inneren Gespenster verloren hatte.
    Plötzlich versetzte Beka Seregils Fuß einen Tritt und zog mit einer Miene spöttischer Verwunderung die Augenbrauen hoch, als er endlich aufblickte.
    »Ach, du bist es«, sagte sie. »Und ich habe gedacht, Alec säße dort. Niemand sonst kann sich so lange so schweigsam geben.«
    »Ich habe über Idrilain nachgedacht«, bemerkte Seregil.
    »Du hast sie gemocht, nicht wahr, Onkel?«
    Alec lächelte. Vermutlich hatte sie diese persönliche Anrede benutzt, um ihn zu beschwatzen, sich aus seinen düsteren Betrachtungen zu lösen; ›Onkel‹ nannte sie ihn sonst nur in einem sehr privaten Rahmen.
    Seregil rutschte auf seinem Stuhl herum und faltete die Hände um ein hochgezogenes Knie. »Ja, das habe ich. Sie war schon Königin, als ich nach Rhíminee gekommen bin, und sie hat ihr Bestes gegeben, für mich einen Platz bei Hofe zu finden. Das hat natürlich nicht funktioniert, aber wenn sie nicht gewesen wäre, dann hätte ich Nysander vielleicht nie kennen gelernt.« Er seufzte. »In gewisser Weise war Idrilain für mich die Verkörperung von ganz Skala, und jetzt sitzt Phoria auf dem Thron.«
    »Glaubst du nicht, dass sie sich zur Regentin eignet?«, fragte Beka.
    Seregil und Alec tauschten einen Blick aus, in dem all ihre gemeinsamen Geheimnisse zu liegen schienen. Dann zuckte er die Schultern. »Ich nehme an, sie wird reagieren, wie es ihrer Natur entspricht.«
     
    Die Natur der neuen Königin sollte sich als Objekt gesteigerten Interesses auch unter den Aurënfaie erweisen.
    Adzriel hatte Klia direkt neben der großen Halle einen mit skalanischem und aurënfaiischem Staat geschmückten Empfangsraum eingerichtet. Ein Dreibein aus Speerschäften ohne Spitzen stützte Klias umgedrehten Schild. Die bittersüßen Ausdünstungen von Myrrhe und einem Blutungen stillenden Kraut, wie es die Soldaten im Feld stets mit sich führten, erfüllten die Luft. Neben den drei Türen des Raumes hingen kunstvoll verzierte aurënfaiische Schriftrollen mit Gebeten, die der Seele der Königin den Weg weisen würden, sollte sie, ihre Tochter besuchen kommen und vergessen haben, wie sie weiterkam. Ein aurënfaiischer Schirm aus Pergament verdeckte das Fenster und ließ nur eine kleine Öffnung frei, durch die das Khi ungehindert kommen und gehen konnte.
    Ein weiteres Relikt aurënfaiischer Trauerrituale war eine kleine Kohlenpfanne neben der Tür, in der jeder Besucher beim Betreten des Raumes einen kleinen Strauß Zedernastspitzen als Gabe für die Verstorbene hinterließ. Es hieß, der Geruch diene dem Wohlbefinden der Toten, den Lebenden hingegen bereitete er rasch Übelkeit. Am Ende jeden Tages hing unter der Decke des Raumes eine langsam wabernde Rauchwolke, und der Geruch des Raumes klebte an Kleidern und Haaren und folgte den Trauernden in der Nacht in die Betten.
    Seregil, der Tag um Tag an Klias Seite war, fragte sich, was wohl die tote Königin von den Gesprächen in dem Raum halten würde, sollte sie tatsächlich beschließen, ihrer Tochter einen Besuch abzustatten.
    Jeder Besucher, gleich von welchem Stand oder Clan, arbeitete sich schnell durch die üblichen Kondolenzbekundungen, bahnte sich dann jedoch rasch einen Weg zu vorsichtigen Erkundigungen über Phoria.
    Alec berichtete von ähnlichen Erfahrungen. Jedes Mitglied der skalanischen Delegation, sogar die Urgazhi-Reiter, schien von den Aurënfaie plötzlich als Autorität in Bezug auf den Charakter der neuen Königin betrachtet zu werden. Leute, die sich seit ihrer Ankunft in Sarikali

Weitere Kostenlose Bücher