Schattengilde 03 - Unter dem Verrätermond
zurückkam, wurde sie dort von den Jubelrufen ihrer Soldaten begrüßt.
»Ihr seht aus, als hättet Ihr harte Zeiten hinter Euch, Rittmeisterin«, rief Braknil und bot ihr einen Becher Rassos an.
Dankbar leerte sie ihn in einem Zug und genoss die Wärme, die sich sogleich in ihren schmerzenden Muskeln ausbreitete. »Nicht schlimmer als sonst«, entgegnete sie und schaffte es tatsächlich, ein Grinsen aufzusetzen, dass sich durchaus mit dem Strahlen auf den Gesichtern um sie herum messen konnte. »Ich musste nur leider auf eure Hilfe verzichten.«
Flüchtig machte sie sich mit dem Dienstplan vertraut, ehe sie sich in ihr Gemach zurückzog, um sich zu waschen. Als sie wieder eine saubere Tunika über ihrem Hemd trug, legte sie für einen Augenblick ihre Hand auf das Wappen ihres Regiments, das die Vorderseite zierte: gekreuzte Säbel unter einer Krone.
Pflichterfüllung.
Sie dachte an Nyal, der ihr gegenüber am Feuer gesessen und sie aus seinen sanften Augen betrachtet hatte, Augen, in denen sich nur Wohlwollen spiegelte.
Ich wollte sicherstellen, dass dir nichts geschieht …
Ein leises Pochen riss sie aus ihren Gedanken.
Es war Mercalle. Sie salutierte steif vor Beka, ehe sie die Tür leise hinter sich ins Schloss zog.
Und wieder eine Situation, die dazu angetan war, Knoten in ihre Eingeweide zu winden. Seit dem Eingeständnis des Feldwebels, für Phoria spioniert zu haben, hatten sie keine zehn Worte mehr miteinander gewechselt. Wären sie nicht so fern von ihrer Heimat gewesen, so hätte Beka dafür gesorgt, dass Mercalle einem anderen Regiment zugeteilt wurde.
»Ich habe mich gefragt, ob Ihr irgendetwas braucht, Rittmeisterin«, begann sie, und es war offensichtlich, dass sie sich ebenso unbehaglich fühlte wie Beka.
»Nein.« Sie wandte sich ab, starrte in den Spiegel an der Wand und spielte mit ihrer Halsberge.
Doch Mercalle blieb. »Ich dachte, es würde Euch vielleicht interessieren, dass Nyal den Gerüchten zufolge irgendwelche Probleme mit seiner Khirnari hat.«
Beka betrachtete ihr Spiegelbild. »Woher weißt du das?«
»Ich hatte bis vor ein paar Minuten Wachdienst. Kheeta í Branín brachte die Neuigkeiten ins Haus. Es hat etwas damit zu tun, dass er seinen Leuten nicht früh genug von Eurem Verschwinden erzählt hat.«
»Was meinst du damit? Er hat sie auf unsere Fährte gebracht und anschließend direkt zu mir geführt.«
»Na ja, soweit ich es verstanden habe, seid Ihr bereits in der Nacht aufgebrochen, aber er hat bis zum nächsten Tag niemandem etwas davon erzählt, als wollte er Euch einen Vorsprung verschaffen. Die Khatme haben es herausgefunden.«
Beka kämpfte die aufkeimende Hoffnung in ihrem Herzen nieder. »Und du bist aus eigenem Antrieb damit zu mir gekommen?«
Mercalle nahm Haltung an. »Ich bitte um Vergebung, falls ich zu weit gegangen bin, Rittmeisterin. Ich weiß, wie Ihr über mein Verhalten denkt. Aber Nyal hat uns sehr geholfen, und …«
»Und was?«, schnappte Beka.
»Nichts, Rittmeisterin.« Mercalle salutierte knapp und trat den Rückzug an.
»Warte. Da gibt es etwas, das ich wissen möchte. Warum hast du über die Anweisungen geschwiegen, die du von Phoria bekommen hast?«
»So lautete mein Befehl, Rittmeisterin. Ich habe mein Leben lang Befehle ausgeführt, und ein guter Teil dieser Befehle stammte von Phoria. Das ist nun einmal die Aufgabe eines Soldaten.« Sie brach ab, und Beka konnte sich nicht länger vor dem Kummer in den Augen der älteren Frau verschließen, so sehr sie es auch wollte. »Ein Feldwebel kann sich nicht aussuchen, welchen Befehlen er Folge leisten will, Rittmeisterin«, fuhr Mercalle fort. »Wir können nicht so frei handeln wie Ihr oder Lord Seregil und uns dem Iia’sidra oder unserem befehlshabenden Kommandanten widersetzen.«
Beka setzte zu einem Widerspruch an, doch Mercalle schnitt ihr das Wort ab. »Klia war zu krank, Euch Befehle gegeben zu haben. Braknil weiß das, und Rhylin weiß es auch, aber keiner von uns hat gegenüber den Soldaten ein Wort darüber verloren. Ihr habt getan, was Ihr für richtig gehalten habt, und ich hoffe, alles wird sich so entwickeln, wie es Euren Wünschen entspricht. Aber selbst dann solltet Ihr niemals vergessen, dass Ihr Glück gehabt habt. Eine Wahl treffen zu dürfen, ist ein Luxus, den sich gewöhnliche Soldaten nicht erlauben können.«
Sie wandte sich ab, und als sie erneut das Wort ergriff, klang ihre Stimme sanfter. »Wie auch immer, könnte ich jetzt noch in den Lauf der Dinge
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