Schattengold
können wir uns schenken, das haben wir ja alle gelesen.«
In Wahrheit hatte keiner der Anwesenden das umfangreiche Papier in die Hand genommen. Dafür waren die Unterabteilungsleiter zuständig. Und die befanden den Inhalt für nicht wichtig genug.
»Kommen Sie zum Wesentlichen!«
Hopfinger blätterte verlegen in seinen Zetteln. Man hatte ihn gleich am Anfang aus dem Konzept gebracht.
»Ja, also, wie soll ich sagen … Im Wesentlichen handelt es sich um zwei Probleme. Erstens haben die Raubüberfälle auf wohlhabende Mitbürger und reiche Touristen zugenommen. Dabei ging es ausschließlich um die Erbeutung von Goldschmuck und goldenen Uhren.«
Der Polizei war es bisher entgangen, dass es sich bei dem Diebesgut immer um Stücke aus der Werkstatt des Herrn Ampoinimera handelte. Als läge ein Fluch auf ihnen.
Den Oppositionsführer durchzuckte ein Gedanke: Ich werde einen neuen Safe für meinen Goldschmuck anfertigen lassen.
Eigentlich meinte er den seiner Frau, aber immerhin hatte er ihn ja bezahlt. Laut erklärte er: »Richtig, erst vorgestern wurde meiner Gattin eine kostbare Goldkette gestohlen. Alter Familienschmuck, wissen Sie. Allein der ideelle Wert! – Und das mitten in der Oper, in aller Öffentlichkeit, während des Auftritts der Königin der Nacht! – So geht das wirklich nicht weiter!« Insgeheim sinnierte er: Gut, dass das die Versicherung zahlt.
Hopfinger wusste davon noch nichts. Das konnte er auch nicht, denn die Kette lag längst wieder im Safe des Oppositionsführers. Die Gattin hatte nur vergessen, sie vor dem Konzert anzulegen. Und hinterher war dann ja die Versicherung schon alarmiert worden.
Der Kriminalassistent gab sich gelassen. »Meine Mitarbeiter und ich haben jede Spur verfolgt. Wir sind uns sicher, dass eine ausländische Diebes- und Hehlerbande dahinter steckt, denn die Gegenstände sind bei uns nie wieder aufgetaucht. Wir haben da so unsere V-Männer.«
Keiner der Anwesenden bemerkte, dass sich die Augen eines der Ahnen auf der Gemäldesammlung, ausgerechnet diejenigen des eingangs erwähnten Vorfahren des Ratsvorstehers, merkwürdig bewegten. Hätten die Diskussionsteilnehmer besser auf ihre Umgebung geachtet, wäre ihnen aufgefallen, dass die Leinwand-Augen herausgeschnitten und durch zwei sehende ersetzt worden waren.
»Das zweite Problem ist eher belanglos. In letzter Zeit hat sich die Sterblichkeitsrate in unserer Stadt leicht erhöht. Leider ist es gehäuft zu tödlichen Unfällen gekommen, die wir mehr oder weniger rekonstruieren konnten. – Ich meinerseits bin mir sicher: Fremdeinwirkung unwahrscheinlich. – Es gibt da zwar noch ein paar ungelöste Fragen, und mein Vorgesetzter, unser allseits geschätzter Herr Inspektor Kroll, ist der Ansicht, man solle die Mordthese nicht von vornherein ausschließen. Aber insgesamt können wir mit unserer Arbeit zufrieden sein.«
Die Augen in der Wand blitzten auf.
»Ich möchte dem Hohen Rat empfehlen, in den öffentlichen Gebäuden und in den Museen die Sicherheitsvorkehrungen zu überprüfen und gegebenenfalls zu verbessern.«
Der Ratsvorsteher begeisterte sich für den Vorschlag. »Gut, wir werden zu dieser Frage eine Kontrollkommission bilden.«
Die Ratsherren horchten wieder auf.
»Und was können wir Ihrer Meinung nach, lieber Herr Kriminalrat, in Bezug auf das Goldproblem tun?«
Ein junger Ratsherr, der lauthals forderte, eine Goldkommission zu bilden, wurde schnell mundtot gemacht. Schließlich habe man doch die Versicherungen bereits erhalten.
Hopfinger präsentierte eine andere Idee.
»Ich schlage vor, meine Leute kleiden sich zivil und verteilen sich zwecks Observation an strategisch wichtigen Stellen. Unsere Statistik der Raubfälle weist aus, dass der oder die Täter oft gegen 20 Uhr, also zu Beginn der Fernsehhauptsendezeiten, und sonntags zur Zeit des Gottesdienstes gehandelt haben. Tatort waren meist die Häuser der Bessersituierten.«
Der Pastor wollte schon protestieren, aber der Ratsvorsteher meinte: »Gut, arbeiten Sie also einen detaillierten Plan für die fraglichen Zeiten und Orte aus und schreiten Sie unverzüglich zur Tat!«
Diesem entschiedenen Ton wagte niemand zu widersprechen. Außerdem wollte man endlich zum gemütlichen Teil des Abends übergehen. Skat.
*
Der Goldraub blühte in den kommenden Wochen nach wie vor. Nur dass die Überfälle jetzt an anderen Stellen und zu anderen Zeiten stattfanden. Es schien, als seien die Diebe gewarnt worden.
Die Sekretärin zog im
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