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Schattengold

Schattengold

Titel: Schattengold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Buehrig
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Goldschmiederei Anregungen zu verschaffen.
    Eigentlich komisch, denn es heißt doch, die Ampoinimeras kämen aus Südamerika.
    Auf der Seite der Eingangstür befand sich die in meinen Augen merkwürdigste Sammlung. Da lagen Noten über Noten! Aber Frau Ampoinimera hat doch ihr eigenes Arbeitszimmer oben im ersten Stock. Ich habe den Meister noch nie musizieren gesehen.
    Da waren auch Handbücher über Computer, Programmiersprachen, Musikprogramme, Spracherkennungsprogramme und so weiter.
    In der hinteren Ecke stand ein tischhoher Globus, der aber nicht unsere heutige, sondern eine merkwürdig alte Welt zeigte.
    Daneben ein Schreibtisch voller Akten, Briefe, Rechnungen und Notizzetteln. Den durfte ich auf keinen Fall anrühren, hatte der Meister befohlen. Zuoberst lagen, neben einem Plan vom Grundriss irgendeines alten Gebäudes mit einem Gewirr von Kellergängen, alte, ziemlich vergilbte Dokumente. Aus dem Kirchenarchiv, wie ich aus den Wachssiegeln und Stempeln schließen konnte.
    Das auffälligste Möbelstück jedoch war das komisch geformte Sofa mitten im Raum. Es bestand aus einem komplizierten Stahlgerüst, das mit einem Gewirr von Kabeln, Messgeräten und Computerteilen verbunden war. An der Stirnseite befand sich ein großer Flachbildschirm, davor ein drehbarer Sessel mit einem kleinen Steuerpult. Ich glaube kaum, dass er dem Meister dazu diente, sich auszuruhen.
    Einmal habe ich durch einen zufälligen Blick durch den offenen Türspalt mitbekommen, dass Radamo darin saß. Was hatte der da zu suchen?
    Ich weiß, dass er ungemein schön Flöte spielen kann. Nur das Sprechen fällt ihm wohl schwer. An mich hat er noch nie ein Wort gerichtet. Irgendwie fühle ich mich in seiner Gegenwart unwohl. Er hat überhaupt nichts von seinen Eltern, die doch mir gegenüber immer sehr freundlich und anständig sind. Es scheint, als wolle ihr Sohn nichts mit einer einfachen Zofe wie mir zu schaffen haben. Wie Raik.
    Gestern Nachmittag, als ich das Klavierzimmer putzen musste, hörte ich zufällig, wie im Nebenraum der Meister zur gnädigen Frau sagte: »Meine Recherchen in den Archiven sind abgeschlossen. Ich habe die Urkunden gefunden. Es stimmt, was du vermutet hast. Jetzt fehlen mir nur noch die Unterlagen über den Ausbau der Musikhochschule.«
    Mehr konnte ich nicht aufschnappen, weil der Meister die Tür zuschlug. Er ahnte wohl, dass ich etwas mitbekommen hatte.
    Heute Morgen traf ich Raiks Mutter auf der Straße. Ich hätte nicht gedacht, dass er eine so junge Mutter hat. Wir stießen fast zusammen. Ich wollte meinen freien Tag für einen Bummel durch die Stadt nutzen. Sie war in unseren Laden gekommen, weil sie sich Sorge um ihren Sohn machte. Er hatte sich mehrere Tage nicht mehr zu Hause blicken lassen. Ich kann mir denken, wo er sich herumtrieb. Bei dieser Sängerin.
    Frau Svavarson machte auf mich auf den ersten Blick keinen guten Eindruck. Irgendetwas bedrückt sie. Ich spürte, dass es nicht nur die Sorge um Raik war. Ich hatte das Gefühl, dass sie noch viel schwerere Lasten zu tragen hatte. Ihre unruhigen Augen verrieten eine tiefe Einsamkeit.
    Ob sie das mit Raik und dem Mädchen weiß? Ich hielt es für besser, ihr in dieser Beziehung nichts zu sagen. Auch nicht von meinen Gefühlen Raik gegenüber. Und komischerweise hatte ich in ihrer Gegenwart das Gefühl, dass diese Dinge völlig unwichtig waren.
    Als ich ihr sagte, dass ich heute meinen freien Tag hätte, lud sie mich ohne zu zögern zu einem Kaffee ein. Sie kannte einen kleinen Eckladen in der Glockengießerstraße, ein Fachgeschäft für erlesene Schokoladen und Liköre. Dort kann man wunderbar auf der Straße an kleinen intimen Tischchen sitzen, den aromatischen Wiener Kaffee nippen und die Sonne genießen.
    Frau Svavarson, Judith mit Vornamen, wie sie mir bald verriet, hat nicht viel Ähnlichkeit mit ihrem Sohn. Nicht nur äußerlich, sondern vor allem auch von ihrem Charakter her. In ihren Worten und ihren Gesten lagen nichts von der nordischen Schroffheit, die ich bei Raik beobachte. Im Gegenteil, sie strahlt eine gewisse Weiblichkeit aus, die mich auf Anhieb faszinierte.
    Ich beneide sie um ihre knabenhafte Figur und um den eleganten Geschmack, mit dem sie sich kleidet. Sie wird kaum zehn Jahre älter sein als ich, aber dennoch wirkt sie jünger, obwohl von ihren Augen eine gewisse Resignation ausgeht. – Sie erinnert mich stark an eine meiner Lieblingsschauspielerinnen, Katharine Hepburn, wie sie das rätselhafte Doppelleben der Mrs. Venable in

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