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Schattengold

Schattengold

Titel: Schattengold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Buehrig
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des Hügels abwärts, hinein in die schmale Goldschmiedegasse.
    Hier, linker Hand vor einem der vornehmeren Handwerkerhäuser, hielt der Tross. Der Goldschmied sperrte seine Haustür auf und wies den Trägern den Weg. Die Söldner bewachten derweil den Eingang.
    Der Mönch trat näher, bekreuzigte sich, spulte ein lateinisch klingendes Gebet ab und bettelte, obwohl er gar nicht wie ein Franziskaner gekleidet war, den Hausherrn um ein Almosen an. Als frommer Bürger konnte der ihn nicht zurückweisen und lud ihn zu einem Stück Brot und einem Krug Bier in die Küche ein.
    Während der Mönch dort von der Hausmagd bedient wurde, konnte er durch die Butzenscheiben der Küche sehen, wie die Träger die Kiste auf den schmalen rechteckigen Hof schleppten und ihre Last vor einer Kellerluke abstellten.
    Dann bekam jeder ein paar Münzen in die Hand gedrückt und wurde vom Hausherrn entlassen. Als der Goldschmied sich unbeobachtet wähnte, ritzte er ein Kreuz auf eine der Gehplatten vor dem Kellereingang.
    Nun hatte es auch der Mönch eilig. Er bedankte sich mit einem letzten Gebetsspruch und wünschte dem Hausherrn weiterhin ein blühendes Geschäft.
    Zielstrebig eilte er zurück zu dem Haus, aus dem er vor knapp einer Stunde herausgetreten war.
    Wieder wunderte sich der Hausdiener, der immer noch mit Wischen und Scheuern beschäftigt war.
    »Vielleicht braucht ja der gnädige Herr geistlichen Beistand. In letzter Zeit ging es deutlich abwärts mit ihm. Ich werde mich wohl bald nach einem neuen Herrn umsehen müssen.«

     
    *

     
    Der Meister schaltete zufrieden den Bildschirm aus und machte sich Notizen.
    »Es hat besser geklappt, als ich vermutete. Jetzt weiß ich, wo ich die heiligen Seelen unserer Vorfahren suchen muss.
    Das technische System funktioniert einwandfrei. Allerdings muss ich zugeben, dass diese Zeitreise keine Reise rückwärts war. Mir ist es lediglich gelungen, ihren Anfangspunkt in die Vergangenheit zu schieben. Die Bewegungsrichtung verlief dann wieder ganz normal vorwärts in Richtung des Zeitpfeils.
    Man kann es mit einem Spielzeugauto vergleichen, bei dem eine Feder gespannt wird, wenn man es eine Strecke lang rückwärts schiebt. Lässt man es los, bewegt sich das Auto wieder vorwärts, allerdings von einem rückwärtigen Startpunkt aus.
    Vielleicht ist es auch gut so, dass die Zeit immer vorwärts, nicht rückwärts laufen kann. Dann würde auch das Denken in dieser Richtung ablaufen. Man wüsste die Lösung, bevor man das Problem aufwirft.
    Nicht auszudenken, wenn unsere Verdauung rückwärts funktionierte oder sich der Lauf der Erde und der Gestirne umkehrte …
    Unsere Götter haben in ihrer unendlichen Weisheit den Gang der Zeit so eingerichtet, wie er ist. Es wäre Gotteslästerung, das infrage zu stellen. Nur mir, ihrem Auserwählten, dem Wächter und Meister ihrer Zeit, ist es vergönnt, in die Vergangenheit zu reisen.
    Die Gegenwart beherrsche ich schon länger, jetzt bin ich auch Herr über die Vergangenheit. Schade, dass ich immer noch nicht in der Lage bin, den Zeitläufer derart zu programmieren, dass er in die Zukunft reisen kann.
    Wie kann ich den Ablauf der Gegenwartszeit beschleunigen? – Noch weiß ich darauf keine Antwort.
    Merkwürdig allerdings, dass der Zeitläufer keinen Schatten warf. Irgendwie muss sein Fehlen mit der Zeitreise zusammenhängen, genauer gesagt mit der Lichtgeschwindigkeit. Die hat normalerweise immer den gleichen Wert, egal, wie schnell sich eine Lichtquelle bewegt. Wenn jemand jedoch in die Vergangenheit reist, ist er dem Licht immer um eine Haaresbreite voraus. Ein Lichtstrahl kann sich nicht an ihm reflektieren, die Gestalt wirft keinen Schatten.
    Es wäre möglich, dass die Berichte über schattenlose Wesen wie Peter Schlemihl oder die Vampire auf dem Umstand basieren, dass es sich um Zeitreisende handelte.
    Vielleicht hat das schon jemand vor mir erfunden.«

     

     

     

     

     

Kapitel 22: Die Rote Rabea

    In den Kreisen der gehobenen Bürgerschaft war die Rote Rabea bekannt wie ein bunter Hund. Diesen Ausdruck durfte man wörtlich nehmen. Ihr Name rührte von ihrer auffälligen Haarfarbe her. Im Kontrast dazu trug sie gern lila Samtblusen mit gewagten Einblicken in eine hügelige Welt von Implantaten. Darüber hing meistens eine kostbare, aber geschmacklose Bernsteinkette. Sie liebte gelbe Jeans und Goldlackschuhe mit hohen Absätzen. Um das linke Handgelenk und den rechten Fußknöchel hängte sie gewöhnlich Dutzende von billigen Modeketten.

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