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Schattengold

Schattengold

Titel: Schattengold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Buehrig
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beschlossen wurde. So erregt er kein Aufsehen.«
    Der Meister drehte an einem Rädchen, das im Zentrum des Kontrollkastens angebracht war.
    »Jetzt wird es spannend. Mal seh’n, ob’s klappt.«
    Plötzlich verschwand die Figur neben ihm. Auf dem Bildschirm erschienen Zahlen: 1812, 1734, 1672, 1538, 1469.
    Er arretierte das Rädchen und betätigte den Joystick.

     
    *

     
    Der Zeitläufer in Mönchsgestalt trat auf die Straße. Der Hausdiener, der gelangweilt im Flur den Dreck aufkehrte, wunderte sich.
    »Wo kommt der denn her? Ich dachte, der Herr wollte heute keinen Besuch empfangen, weil er unpässlich sei.« Aber was kümmerten ihn andere Menschen, er hatte mit seiner eigenen Arbeit genug zu schaffen.
    Der Mönch mischte sich unter die Menge. Niemand bemerkte, dass seine Gestalt keinen Schatten warf.
    Es roch nach Mist und abgestandenem Dünnbier.
    Gut, dass er die Trippen anhatte. Er musste durch Unrat und Stalldung waten, in dem sich ein paar Hühner und Schweine tummelten. Eine Rotte Kinder vergnügte sich damit, ihnen nachzujagen und sie mit dem Lärm ihrer selbst gebastelten Brummer und Schnurrer zu erschrecken.
    Unterschiedlich gekleidete Menschen eilten, den schlimmsten Schlammpfützen geschickt ausweichend, durch die engen Gassen. Einige trugen ein ähnliches Gewand wie der Zeitläufer. Sie musterten ihn, sprachen ihn aber nicht an.
    Die Frauen hielten schützend ihre langen Umhänge zusammen, damit die wertvollen Unterkleider nicht schmutzig wurden. Verheiratete erkannte man an der Haube, Adelige am Schleier. Mägde durften sich öffentlich nicht mit weiten, modischen Ärmeln oder mit Pelzen sehen lassen.
    Hin und wieder begegnete man Krüppeln und Bettlern, die, ebenso wie die Franziskanermönche in ihren grauen Kutten, um Almosen baten.
    Der Zeitläufer passierte die Lateinschule. Der Rat hatte sie kürzlich mit verglasten Fenstern versehen lassen, und sie besaß sogar den Luxus eines Kachelofens, damit es den Patrizierkindern nicht fröstelte.
    Trotz der geschlossenen Fenster drang ein herzzerreißendes Schreien nach draußen. Ein aufsässiger oder lernunwilliger Schüler wurde von seinem Lehrer mit einem Pritschholz gemaßregelt.
    Dabei hatte die Kommission der Schulvisitatoren jüngst vor einer allzu tyrannischen Prügelstrafe gewarnt. Die Lehrer mögen sich schließlich als Erzieher, nicht als Knochenhauer betätigen!
    Unten am Hafen herrschte reges Treiben. Kleinere Schiffe wie Schniggen und Schuten lagen direkt an dem schmalen Anlegesteg vor der Hafenmauer. Die größeren Koggen konnten nur in der Flussmitte festmachen und wurden mit Hilfe von floßähnlichen Prähmen be- und entladen.
    Ein paar Schiffsleute bereiteten sich am Ufer ein Feuerchen, um sich eine karge warme Mahlzeit zuzubereiten. An Bord durften sie das wegen der Feuergefahr nicht.
    Viele Seeleute zogen es vor, in den nahe gelegenen Wirtshäusern einzukehren, um sich mit Dünnbier volllaufen zu lassen, den Dirnen unter die Röcke zu grapschen oder sich mit den Hafenarbeitern zu prügeln.
    Am Hafentor stand ein mächtiger, hölzerner Drehkran, der für die Bergung der schweren Fässer zuständig war. Alle anderen Lasten wie Stoffballen, Stockfischbündel oder Holzkisten mussten auf den Schultern geschleppt oder mit Hilfe von Karren oder Rollbrettern geschoben werden.
    Die Waren hatten unterschiedliche Ziele. Das meiste verschwand in den Speicherräumen oder den Kellern der Handelskontore.
    Der Zeitläufer interessierte sich nur für die Ladung eines Fernseglers. Eine Handvoll Söldner bewachte sie streng, denn in den Kisten befanden sich Gewürze, Mineralien und Schmuckgegenstände fremder Völker. Den Schiffspapieren zufolge sollte eine Kiste wertvolle Goldfiguren aus einer alten Hochkultur in Ostafrika enthalten.
    Es fiel keinem auf, dass der falsche Mönch sich einem am Kai wartenden Goldschmied näherte.
    Zwei Burschen schulterten eine der mit einem Eisenschloss versperrten Eichenholzkisten und trabten langsam in Begleitung dreier bewaffneter Söldner und des Goldschmieds bergauf Richtung Stadtmitte.
    Die Wächter nahmen keine Rücksicht auf die Passanten. Brutal knüppelten sie sich den Weg frei. Hin und wieder rutschten die Träger aus, fluchten über den schlechten Zustand der Straßen und hievten die schwere Kiste erneut auf die Schultern.
    Der Mönch folgte ihnen unauffällig.
    Es ging vorbei an den vornehmen Patrizierhäusern, quer über den Marktplatz, an der Marienkirche entlang und ein Stück weiter auf der Ostseite

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