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Schattengott

Schattengott

Titel: Schattengott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uli Paulus
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geplant hat,
aber es ist auch klar, dass er die Verbrechen nicht alleine begangen haben
kann. Bitte erinnern Sie sich: Was genau hat er damals gesagt, bevor er
abreiste?»
    Rosenacker schien sich den früheren Stiftungsgast noch einmal vor
Augen zu führen. Schliesslich schüttelte er den Kopf.
    «Der ist ein Geistmensch», sagte er, «nein, ich kann mir das einfach
nicht vorstellen. Schlorf hat gesagt, hier würden schreckliche Dinge geschehen.
Er könne nicht bleiben. Warum sollte er sich verraten? Warum sollte er mir
vorher erzählen, was er hier anrichten wird?»
    «Weil er darunter leidet. Weil er diesem Wörterwahn verfallen ist.
Er will Hilfe.»
    «Das kam mir nicht so vor. Er wollte sich zurückziehen in den Wald.
Er wollte irgendwie zurechtkommen mit dieser Gabe, die er hat. Und da schien
ihm ein Ort abseits von Menschen am geeignetsten.»
    «Hat er je erwähnt, wohin genau er will? In welchen Wald?», fragte
Sabina.
    «Nein. Er sagte, er würde in den Wald gehen. Mehr nicht.»
    «Was ist mit Ihren anderen Gästen? Sanderson? Redolfi? Die
Isländerin?»
    «Was soll mit ihnen sein?»
    «Ist Ihnen an Pfingsten etwas aufgefallen?»
    «Nein, wir haben alle zusammen Mittag gegessen: Matthew, Jean, Rúna
und ich. Oskar war auch dabei und hat mitgegessen.»
    «Das heisst, alle haben für die Tatzeit ein Alibi?»
    «Ja, das haben Ihre Kollegen doch schon am Montag überprüft.»
    «Ich weiss. Und Sie sind sicher, dass sich nicht doch einer rausgeschlichen
hat?»
    «Sie glauben mir wohl nicht mehr?»
    «Doch. Wir haben das Schloss ja auch unter ständiger Beobachtung. Es
gab tatsächlich keine Personenbewegungen. Könnte es sein, dass man noch
irgendwie anders rauskommt?»
    «Mir ist kein Geheimgang bekannt», sagte Rosenacker.
    «Sie halten es also für ausgeschlossen, dass einer Ihrer Gäste etwas
mit den Verbrechen zu tun hat?»
    «Ich kann in die Leute nicht reinschauen, aber es würde mich mehr
als überraschen.»
    «Und was ist mit dem Personal? Der Koch?»
    «Oskar?», lachte Rosenacker. «Für den lege ich meine Hand ins
Feuer.»
    «Und die Putzfrau?», fragte Sabina. «Wie oft ist sie da? Und wo
kommt sie her?»
    «Aus dem Osten, Russland oder Ukraine. Sie kommt einmal die Woche.
Aber sie ist schon lange da, und es ist mir nie irgendetwas Merkwürdiges an ihr
aufgefallen.»
    «Ich werde sie trotzdem überprüfen lassen.» Sabina sah Rosenacker
an. «Bleiben eigentlich nur noch Sie.»
    «Bitte, durchleuchten Sie mich», sagte Rosenacker. «Es ist ja Ihre
Pflicht.»
    «Nein. Sie haben nichts damit zu tun. Wir haben Sie schon
ausführlich überprüft. Und man hat schon auch ein Gefühl.»
    Auf dem Tisch lag ein Buch. «Die Brüder Karamasow» von Dostojewski.
    «Lesen Sie das gerade?», fragte Sabina, als sie aufstand.
    «Ja.»
    «So viel Zeit hätte ich auch gerne», sagte sie. «Ich bin froh, wenn
ich mal einen normalen Roman schaffe.»
    Rosenacker brachte sie zur Tür und verabschiedete sie. Sabina spürte
seinen Blick auf ihrem Hintern. Er also auch, dachte sie und drehte sich noch
einmal um. Er stand in der Tür und winkte.
    Sabina beschloss, sich ein bisschen im Volk umzuhören. Das
Gasthaus Gemsli in Flerden schien ihr ein gut geeigneter Ort dafür zu sein. Sie
bog auf die grosse Heinzenbergstrasse ein und fuhr bergwärts. In der ersten
Kehre nach dem Flerdener Ortsschild fuhr sie seitlich ran und parkte.
    Das Gemsli war eine von aussen recht schmucklose Bauernwirtschaft
mit hervorragender regionaler Küche und einem gemütlichen Gastraum. Hier sassen
die Bauern aus dem Dorf bei Most, Bier und Wein zum Kartenspielen. Sabina grüsste
und setzte sich. Zwei Tische weiter spielten vier Männer Jassen. Ein fünfter
sass am Nebentisch bei einem Viertel Rotwein und liess sich seine Pizokel
schmecken. Nicht uninteressiert folgten seine vom grauen Star getrübten Augen
der jungen Frau, die sich eine kleine Portion Capuns und einen Most bestellte.
    «Grüezi wohl», grüsste Sabina noch einmal, «und guten Appetit.»
    «Danke», sagte der Mann und blinzelte ihr zu, «aber es vergeht einem
ja der Appetit, bei dem, was zurzeit passiert.»
    Sabina nahm den Ball gerne auf. «Sie meinen die Morde?»
    «Und jetzt haben sie schon wieder drei Frauen entführt, ein Mädchen
ist die eine noch. Ein junges Mädchen.»
    «Das ist schlimm, ja», sagte Sabina.
    «Es ist ja auch kein Wunder», schimpfte der Mann, «wenn man die
ganze Welt bei sich einlässt.»
    «Sie meinen, das waren Ausländer?», fragte Sabina.
    «Ha, bei uns

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