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Schattengott

Schattengott

Titel: Schattengott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uli Paulus
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Verbindungen zu seiner
Vergangenheit offensichtlich gekappt.
    «So. Mit diesem Stand müssen wir arbeiten», sagte Malfazi. «Aus
meiner Sicht sind alle irgendwie verdächtig und alle auch wieder nicht.»
    «Und dann haben wir noch den grossen Unbekannten: Christian
Schlorf», sagte Heini.
    «Am Freitag findet auf Schloss Mondfels das grosse Sommerfest
anlässlich der Mondfinsternis statt», sagte Sabina. «Ich meine, dass wir dort
sein sollten. Und zwar ganz offiziell: als Gäste.»
    «Sehr gut», sagte Malfazi, «das gibt uns die Gelegenheit, alles zu
beobachten und unter Kontrolle zu halten. Sobald irgendetwas Auffälliges
passiert, sind wir da.»
    «Das volle Programm?», fragte Heini.
    «Beobachtungsposten rund ums Schloss, Bereitschaftspolizei an allen
Strassen, Hubschrauber auf Abruf. Wo auch immer in dieser Nacht etwas
vonstattengeht: Wir müssen handlungsfähig sein.»
    «Gut, ich übernehme die zentrale Planung vom Polizeikommando aus»,
sagte Heini.
    «Ich stürze mich ins Getümmel und ermittle auf dem Fest», sagte
Sabina.
    «Ich überwache vom Funkwagen aus das mobile Einsatzkommando und
postiere mich irgendwo bei Thusis», sagte Malfazi. «Die Verteilung der
einzelnen Einsatzkräfte besprechen wir morgen, okay?»
    «Okay.»
    «Und was, wenn das Ganze nicht in dieser Nacht stattfindet und
nichts mit diesem Schloss zu hat?», fragte einer der Sonderermittler.
    «Wir können uns nur an das halten, was wir haben», sagte Malfazi.
«Dazu überwachen wir die Kirchen in der Gegend und sind an allen Kultplätzen
präsent, die in Frage kommen. Mehr können wir nicht tun.»
    Sabina fuhr mit einer gewissen Zuversicht nach Hause. Zwar
hatten sie an Fronleichnam nicht richtiggelegen mit ihren taktischen
Überlegungen. Das Wissen aber, dass wirklich jede im Kanton verfügbare
Polizeikraft am Freitag im Einsatz sein würde, gab ihr Sicherheit. Ihr Plan war
es, mit fünf weiteren Zivilfahndern so nah an den Geschehnissen im Schloss zu
sein, dass jedes Signal, das von dort ausging, wahrgenommen wurde.
    Sie machte sich ein Brot und schaltete den Fernseher ein. Nach wie
vor war der Sechsfachmord ein Thema in allen Nachrichten. Die Regierungsrätin
gab Interviews, der Chef der Kantonspolizei versprach rasche Aufklärung.
    Tatsächlich aber konzentrierten sich die leitenden Ermittler
zunächst vor allem darauf, einen weiteren Mord zu verhindern.
    * * *
    Alles war vorbereitet. Seine Mitbrüder hatten die Schlucht
präpariert und waren abgereist. Sie würden nach ihm Erlösung finden. Jeder in
seinem Jahr, bis das Sühnen beendet war. Das Mithräum war hergerichtet. Nur der
Hohepriester und die beiden Messdiener würden zugegen sein. Dazu der Stumme,
der an der Schlucht mit den Maultieren auf ihn warten würde. Wieder waren alle
Vorbereitungen im Schutz der Dunkelheit getroffen worden, wieder hatte niemand
etwas bemerkt. Eine Nacht noch, dann war es so weit. Dann erreichte er die
siebte Stufe und fand Erlösung. In Mithras, der aus dem Felsen gekommen war. Im
Felsen würde er sich mit ihm vereinigen. Eine Nacht noch, dann war alles
vollbracht. Er spürte eine unerschütterliche Ruhe in sich. Durchs Fenster
schien hell der Mond herein.

10
    Der Abend der Mondfinsternis war traumhaft. Die untergehende
Sonne liess die Berggipfel leuchten, und das Zirpen der Grillen verlieh dem
Abend eine sommerliche Melodie. Im Garten des Schlosses waren weisse Pavillons
aufgestellt, über der Feuerstelle wurde ein halber Ochse gebraten. Auf dem
ganzen Anwesen verteilten sich Besucher: interessierte Anwohner und Touristen,
ehemalige Stiftungsgäste, auch Vertreter der Presse. Die Frauen trugen legere
Sommerkleider, man sah Leinenanzüge und Panamahüte. Rúna Hauksdóttir trug ein
weisses Kleid und einen riesigen weissen Hut. Mit ihrer blassen Haut wirkte sie
in dem Gewand wie eine Mischung aus Elfe und Gespenst. Sie hatte ihre
Spiralinth-Steine im ganzen Garten ausgestellt. Die Gäste schlenderten an den
Kunstwerken vorbei und bewunderten die filigrane Bearbeitung.
    «Sis mast bi se wörk of jirs» , bemerkte
der Pressemann vom Pöschtli in notdürftigem Englisch.
    «It’s the work of my life», sagte die
Isländerin.
    Sanderson stand am Grillfeuer. An eine Holzwand hinter der
Feuerstelle hatte er Fotos von Felszeichnungen aus aller Welt geheftet. Darüber
stand in grossen Lettern: «Symbols of the past –
signals for the future?» Wer etwas darüber wissen wollte, musste sich
mit ihm ans Feuer stellen. Das Fett des Ochsen triefte, der

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