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Schattengreifer - Die Zeitenfestung

Schattengreifer - Die Zeitenfestung

Titel: Schattengreifer - Die Zeitenfestung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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zögerte keine Sekunde. Mit ausgebreiteten Armen sprang sie ins Wasser. Auch Caspar hechtete in die Fluten. Neferti hielt Simon noch an den Schultern.
    »Kommst du klar?«, fragte sie ihn, und als er nickte, machte auch sie sich bereit zu springen.
    Doch plötzlich stockte sie. Direkt vor den beiden tauchte jemand auf.
    Simon gingen die Augen über. »Tom?«
    Sein Freund japste nach Luft. Er hustete.
    »Tom!« Simon streckte beide Hände nach ihm aus. Auch, wenn er es für eine Täuschung seiner Sinne hielt. Wie hatte Tom hierher finden können? Er bekam ihn zu packen und zog ihn an sich heran. Und erst jetzt erkannte er, dass Tom jemanden in seinen Armen hielt: Moon!
    »Er wurde in den Gang gespült, in dem ich mich versteckt hatte«, brachte Tom unter einigem Prusten kaum hörbar hervor.
    Moon hing bewusstlos in Toms Armen. Neferti und Simon packten den Lakota-Jungen unter den Schultern und hievten ihn aus den Fluten. Unter einiger Anstrengung gelang es ihnen, Moon die Strickleiter hinaufzubekommen und ihn auf dem Schiffsdeck abzulegen. Nur wenige Augenblicke später fiel auch Tom über die Reling, und schließlich kamen Caspar und Nin-Si an Bord.
    »Was ist mit ihm?«
    Moon begann zu husten. Er spuckte Wasser und krümmte sich.
    Neferti und Nin-Si kümmerten sich um ihn, sodass Simon sich Tom zuwenden konnte.
    »Bist du das wirklich?«
    Tom versuchte ein Lächeln. Er war erschöpft. Der Schmerz schoss einen Blitz nach dem anderen durch seinen Körper. »Klar bin ich das. Was meinst du denn?«
    Simon rückte nahe an ihn heran. »Aber wie hast du mich denn gefunden?«
    »Ganz einfach: Immer dem Geruch nach!« Tom versuchte ein Grinsen.
    Simon konnte sein Glück noch gar nicht fassen. »Tom! Ich glaub es einfach nicht. Du hier!« Er versuchte noch immer zu verstehen, wie Tom überhaupt hierhergekommen war.
    »Wollte mal deine neuen Freunde kennenlernen«, sagte der, weiterhin nach Atem ringend. »Sind wirklich alle in Ordnung, soweit ich das unter Wasser beurteilen konnte. Bis auf den mit der Glatze. Der jagt einem schon Angst ein.«
    »Na, der hat dich noch nicht gesehen«, gab Simon zurück. »Da könnte er lernen, was echter Schrecken bedeutet.«
    »Spinner!«
    »Blödmann!«
    Sie fielen sich in die Arme.
     
    »Wo ist Simon? Was hast du mit meinem Sohn gemacht?«
    Christian war völlig außer sich. Er stand an den Eisenstäben seines Gefängnisses und brüllte dem Schattengreifer seine Fragen entgegen. Doch der Magier stand bloß da und starrte Christian an.
    Wortlos.
    Mit leerem Blick.
    Mit einem Blick, wie Christian ihn bisher nur bei dem Säbelzahntiger gesehen hatte.
    »Nun sag endlich: Was ist mit Simon?« Christian griff durch die Stäbe und versuchte, den Schattengreifer zu packen. Doch der stand in sicherem Abstand vor der Zelle. Christians Hände erreichten ihn nur beinahe.
    Völlig unbewegt stand der Magier dort.
    Christian ließ die Hand sinken. Seine Stimme verlor sich. Sie klang gebrochen, wurde fast zu einem Flüstern.
    »Was hast du mit ihm gemacht? Was ist mit Simon? Sag doch: Mein Junge! Du hast meinem Jungen doch hoffentlich nichts angetan.«
    Der Schattengreifer hielt noch kurze Zeit den Blick auf Christian gerichtet, dann wandte er sich plötzlich ab und ging wortlos davon. Durch den langen Gang.
    »Bleib!« Nun schrie Christian wieder. »Komm zurück und sag mir endlich …!«
    Doch es war vergebens. Christian konnte dem Magier nur noch nachschauen. Und so wie der Schattengreifer das Licht der Fackel durch den Gang mit sich nahm, so nahm er auch alle Hoffnung Christians mit sich.
    Zurück blieb Kälte.
    Und Dunkelheit.

Er stützte sich mit den Händen gegen die feuchte Wand ab. Doch sie rutschten ab, und er sank mit dem ganzen Körper nach vorn. Die Knie gaben nach. Er fiel vornüber und stieß mit der Schulter gegen die Wand.
So verharrte er.
Wieder tauchten sie vor seinen Augen auf. Einer nach dem anderen. Er sah ihre Gesichter. Er hörte sogar ihre Stimmen.
Und plötzlich geschah etwas, was er seit Jahrtausenden nicht mehr erlebt hatte. Er versuchte sich dagegen zu wehren. Versuchte, es zu unterdrücken. Doch er war außerstande, es zurückzuhalten: Ein Träne bildete sich in seinem Auge und rann ihm heiß, beinahe brennend, die Wange hinunter.
Wie hatte es nur so weit kommen können?
Er hatte Gewalt angewendet.
Doch es war ihre eigene Entscheidung gewesen. Er hatte ja versucht, all das zu vermeiden, was geschehen war.
Es hatte ihnen die Möglichkeit gegeben, sich ihm anzuschließen. Sie

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