Schattengreifer - Die Zeitenfestung
hatte ich auf meinem Stein? Es sah aus wie Feuer.«
Neferti nickte. Sie war ihm offensichtlich dankbar, dass er versuchte, ihre Gedanken ein wenig umzulenken. »Du hast recht: Es war Feuer. Für dich hatte ich die ägyptische Hieroglyphe der Flamme gewählt: drei Steine – wie eine Feuerstelle, aus der Feuer aufsteigt. Ich dachte dabei an den Scheiterhaufen, vor dem wir dich in deiner Zeit bewahren konnten. Und zum anderen erinnerte ich mich daran, dass du immer für uns da bist. Dass du das Feuer der Freundschaft immer am Brennen hältst.«
Salomon errötete und blickte verlegen nach unten. »Oh, danke. Ich …«
Aus der Dunkelheit kehrte die Krähe zurück. »Tom und Nin-Si befinden sich in der Klippe«, gab sie bekannt. Dann nahm sie Caspar und Moon mit sich, um sie zu einem anderen Eingang zu geleiten.
Simon wandte sich an Basrar und Salomon: »Darf ich euch etwas fragen? Wie ist es euch ergangen, nachdem wir euch gerettet hatten?«
Basrar war der Erste, der Antwort gab. Es war ihm anzusehen, dass es ihm guttat, darüber zu sprechen: »Erst war ich mir nicht sicher, ob es die richtige Entscheidung gewesen war, auf euch zu hören«, gab er zu. »Ich hatte euch in meiner Zeit ja nicht wiedererkannt. Für mich seid ihr eine Gruppe Fremder gewesen, die Unmögliches von mir verlangt hatten. Doch dann, als ich mit meiner Familie und mit meinen Freunden aus Karthago geflüchtet war, da wurde mir bewusst, dass ich euch viel zu verdanken hatte. Und in mir entbrannte ein Gefühl, als ob …«
Er zögerte. Er suchte die passenden Worte, doch sie fielen ihm nicht ein. Gefühle zu zeigen, das war nie Basrars Stärke gewesen.
Stattdessen sprang Salomon für ihn ein: »Ich weiß, was du meinst. In mir erwachte plötzlich auch ein besonderes Gefühl. Eine Freude. Und eine Dankbarkeit. Und vor allem: der brennende Wunsch zu leben.«
Basrar lachte auf: »Genau. Das trifft es. Der brennende Wunsch zu leben.«
Salomon nickte. »Die Blumen waren plötzlich bunter, die Luft frischer, und jedes Lachen traf mich tief ins Herz. Das Leben erschien mir mit einem Mal wie ein Geschenk, das ausgekostet werden wollte.«
»Also, das mit den Blumen hätte ich jetzt nicht so ausgedrückt«, brummte Basrar. »Aber ich versteh schon, was du meinst. Es war wirklich ein wunderbares Gefühl, das auch ich nicht mehr missen möchte und das ich …«
Er brach ab, denn schon vernahmen sie die herannahenden Flügelschläge der kleinen Krähe.
»Wir müssen los«, sagte Salomon. Seine Furcht vor dem, was sie erwarten würde, war ihm deutlich anzumerken.
»Einen Moment noch«, bat Basrar und wandte sich wieder Neferti und Simon zu, während sich die Krähe geduldig auf Simons Schulter niederließ. »Da war noch etwas«, sagte Basrar. »Noch ein Gefühl, das mich seither beherrscht hat. Das gute Gefühl, erfahren zu haben, was echte Freundschaft bedeutet. In jedem Augenblick, in jeder Sekunde, die ich erlebt habe, war ich euch stets dankbar für das, was ihr für mich getan habt. Ich habe so sehr darauf gehofft, euch einmal wiederzusehen. Und jetzt hier zu stehen, das bedeutet mir sehr viel.«
Er wies mit seinen Blicken zur Rotkopf-Klippe. »Was immer dort auch geschehen wird … wie immer dieser Kampf ausgeht … dieser eine Moment hier bei euch, in eurer Mitte … ich …«
Wieder fehlten ihm die Worte. Simon drückte ihn fest an sich und brachte für Basrar alles, was gesagt werden sollte, in einem einzigen Wort zusammen: »Danke«, sagte er für ihn.
Dann ließen sich Basrar und Salomon von der Krähe zur Klippe führen.
Er erwachte.
Benommen.
Erschöpft.
Langsam öffnete er die Augen. Sein Blick flirrte umher.
Etwas irritierte
ihn.
Das, was er sah, war nicht der Raum, in dem er lag.
Es war eine der vielen Hallen in seinem Reich.
Erst, als er die
Schnabelspitze seiner vertrauten Krähe bemerkte, durch deren Augen er wieder einmal hindurchsehen konnte, verstand er,
dass seine Magie wirkte.
Er konnte jetzt durch den Vogel hindurch beobachten, was geschah.
Durch diese Krähe, die in
einer der Hallen thronte und auf die Besucher wartete, die sich gerade in diesem Moment näherten, wie der Magier spüren
konnte.
Das Knirschen ihrer Schritte auf dem feuchten Steinboden wurde in dem Gang vielfach als Echo zurückgeworfen. Simon und Neferti hielten sich noch immer an den Händen. Hektisch flackerte das Licht der Lampe auf den Wänden umher. Dieser Gang glich exakt dem ersten, durch den sie mit den anderen gegangen waren. Und auch dieser
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