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Schattengrund

Schattengrund

Titel: Schattengrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Herrmann
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konnte nichts anderes tun, als zu versuchen, nicht wie eine viktorianische Salonschönheit in Ohnmacht zu fallen.
    Vorsichtig ließ Leon sie auf den Boden gleiten. Maik wickelte ein Bonbon aus und steckte es ihr in den Mund.
    »Hab nichts anderes.«
    Nico schmeckte Zucker, Sahne, Karamell. So unglaublich es war, dieses Bonbon schien ihr das Leben zu retten. Sie spürte, wie ein wenig Kraft und Wärme in ihre Glieder zurückkehrte.
    »Wie lange warst du weg?«
    »Über drei Stunden. Maik ist schwer verletzt, aber er wollte unbedingt zu dir, um dich hier rauszuholen. Ich hätte ihn nicht liegen lassen können, er wäre erfroren. Also sind wir beide wieder hoch, aber das hat eben gedauert und er ist wie ein Irrer vorangelaufen. Er hat das Schloss mit dem Hammer zerschmettert. Alles andere wäre Zeitverschwendung gewesen. Irgendjemand muss es Ihnen geklaut haben. Schaffst du es? Sonst trage ich dich.«
    »Danke, danke.« Nico lutschte voller Hingabe ihr Bonbon. Ihr war mit einem Mal so leicht ums Herz. Maik sah sie treuherzig aus seinem einen, nicht so verschwollenen Auge an, und Leon … Leon hockte vor ihr und hielt ihre Hände, als ob er sie nie wieder loslassen wollte.
    »Ich habe Fili getroffen.«
    Maik nickte. »Ich seh sie auch manchmal. Da drinne, nich?«
    Er wies auf den mittleren Stollen. Nico wunderte sich nicht. Sie musste eine Grenzerfahrung gehabt haben. Völlig erschöpft, kurz vorm Erfrieren, dazu noch unendlich verzweifelt – sie hatte geträumt oder fantasiert. Und Maik, Maik konnte eben noch eine Menge anderer Dinge sehen, von denen »normale« Menschen höchstens träumten.
    »Du bist fast erfroren«, sagte Leon, der Einzige, der offenbar noch mit beiden Beinen auf dem Boden der Realität stand. »Da gaukelt einem der Geist manchmal etwas vor.«
    »Wir müssen noch mal da rein.« Sie griff nach Leons Taschenlampe und leuchtete in den mittleren Stollen. »Da ist was. Ich habe es gesehen.«
    »Du konntest gar nichts sehen, da drin ist es viel zu dunkel!«
    »Fili hat es mir gezeigt. Sie hat dort etwas an die Wand gemalt. Maik, du hast es doch auch gesehen, oder? Was ist es?«
    Der Riese senkte den Kopf. »Hab nicht so genau hingeguckt. Ging mich nichts an.«
    Nico zog scharf die Luft ein, entspannte sich dann aber, soweit es möglich war. Maik steckte seine Nase eben nicht in fremde Angelegenheiten, Punkt.
    »Du gehst nirgendwohin. Außer mit mir zusammen zurück nach Siebenlehen.« Leon stand auf. Die liebevolle Wärme war einer finsteren Entschlossenheit gewichen. »Wir haben dich in letzter Sekunde befreit. Ich will nicht, dass du da noch mal reingehst.«
    »Maik?«, fragte sie. »Kommst du mit?«
    Der Angesprochene zog es vor, nach einem kurzen Blick auf Leon zu schweigen.
    »Dann geh ich eben alleine.«
    Sie stand auf. Zornig. Ihre Knie knickten weg, Leon konnte sie gerade noch auffangen. Aber der Schwindel verflog schnell.
    »Siehst du?«, fragte er. »Du schaffst es ja noch nicht mal, gerade zu stehen.«
    »Und ob.« Sie schob ihn auf Armlänge weg. »Geht wohl. Ich muss da rein, Leon. Und wenn du ehrlich zu dir selbst bist, willst du es auch. Und du Maik, auch. Dich haben sie alle schief angeguckt, weil du so lange in diesem Stollen gewesen bist, als Fili starb.«
    Maik ging ein paar Schritte auf und ab. Er schien die Schmerzen gar nicht zu spüren, die man ihm zugefügt hatte.
    »Sie war fast tot«, sagte er leise und blieb stehen. Ängstlich starrte er in den Eingang des Stollens. »Sie war weg. Sie hat noch Tschüss gesagt, aber anders. Wie ein Geist. Aber sie selbst war tot und kalt. Und da habe ich geweint und versucht, sie aufzutauen, aber das ging nicht. Und da hab ich sie runtergetragen. Bin selbst fast erfroren dabei, aber ich wollt sie nich fallen lassen. Um nichts auf der Welt. Und auch nich alleine lassen, um Hilfe zu holen. Ich dachte, so ganz allein hier oben darf kein Kindlein sein.«
    Nico ging zwei Schritte zu Maik und berührte ihn sanft am Arm. »Weil es dich daran erinnert hat, was dir hier passiert ist?«
    Er nickte, heftig und aufgewühlt. »War ich zwölf. War ich hier unten, aber in dem anderen Gang.« Er wies nach rechts und deutete auf den verfüllten Stollen, in dem Nico sich zuerst vor dem unbekannten Verfolger versteckt hatte. »Da ging er noch tief in den Berg und ist dann zusammengestürzt. Ich war lange bewusstlos und sie haben auch viel zu spät nach mir gesucht. Und als ich fast tot war, da kamen die Kinder. Viele Kinder. Kinder mit Holzschuhen und Kitteln, in

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