Schattenhaus
Supermarkt. Die mochte sie wohl. Aber ich glaube nicht, dass sie die außerhalb der Arbeit gesehen hat. Und so wie ich Sabrina kenne – die Sympathie muss nicht auf Gegenseitigkeit beruht haben.»
«Wie meinen Sie das?»
«Sabrina war immer eine Außenseiterin. Nicht beliebt, weil sie irgendwie anders war. In der Schulzeit hat sie versucht, sich an verschiedene Leute dranzuhängen, aber das war meistens nicht sehr erfolgreich.»
«Außer bei Ihnen?»
«Ich mochte sie, gerade weil sie nicht so war wie alle. Außerdem tat sie mir leid.»
«Können Sie mir ein paar Namen nennen von Leuten aus der Schulzeit, an die Sabrina sich, wie sagten Sie, versucht hat dranzuhängen?»
«Ja. Christine Heinze. Birthe Feldkamp. Und natürlich Hendrik von Sarnau. In den war sie verliebt. Der kam erst in der Dreizehnten zu uns, adeliger Name, reiches Elternhaus, sah gut aus und war so selbstbewusst, dass er jeden in die Tasche stecken konnte. Sogar die Lehrer waren so klein mit Hut, wenn der was sagte. Also mit anderen Worten: Wenn es an der Schule ein Mädchen gab, das absolut keine Chance bei Hendrik von Sarnau hatte, dann Sabrina. Und genau in den verliebt sie sich, läuft ihm hinterher wie ein Hündchen und macht sich zum Gespött. Das Arschloch war manchmal, wenn sie alleine waren, ein bisschen nett zu ihr, um sie auszunutzen oder sie bei nächster Gelegenheit vorzuführen und lächerlich zu machen. Schlimm war das. Ekelhaft. Aber mit dem hat sie seit Ende der Schulzeit keinen Kontakt mehr. Ihr göttlicher Thomas würde das sowieso nicht erlauben. Vielmehr, hätte es nicht erlaubt.»
«Sie sprechen so ironisch von Herrn Vogel. Mochten Sie ihn nicht?» Winter sah im Geiste die Fotos des Toten vor sich. Thomas Vogel war wohl kein ausnehmend attraktiver Mann gewesen, vielleicht rührte der ironische Ton daher.
«Ehrlich gesagt, nein, ich mochte Thomas wirklich nicht. Aber das habe ich Sabrina nicht gesagt. Ich hatte auch keinen richtigen Grund dafür. Er war mir bloß nicht sympathisch. Wenn ich alle Jubeljahre mal da war, war er die ganze Zeit auf diese schleimige, künstliche Art freundlich zu mir. Aber ich hatte immer das Gefühl, sobald ich ihm den Rücken kehre, zerreißt er sich das Maul über mich. Außerdem hat er ständig versucht zu verhindern, dass ich mit Sabrina alleine war. Er hat sich jedes Mal ein paar Tage freigenommen, wenn ich da war. Angeblich zu Ehren meines Besuches, aber Sabrina und mir wäre es lieber gewesen, wenn wir mal in Ruhe zu zweit hätten reden können. Soweit das mit den Kindern halt möglich war.»
«Wie war das Verhältnis zwischen Sabrina Vogel und ihrem Mann?»
«Keine Ahnung, ehrlich gesagt. An der Oberfläche harmonisch. Jedenfalls hat sie nie was Gegenteiliges gesagt. Aber Sabrina hat einen nicht in sich reinsehen lassen. Sie hat immer den Schein gewahrt. Dass sie Thomas geliebt hat, bezweifle ich. Er war halt der Erste, der sie wirklich wollte. Das reichte, um sie glücklich zu machen. Sie war stolz wie Oskar, als sie mir erzählt hat, sie hat diesen wunderbaren Mann getroffen, der für sie gemacht ist, und eine neue Sonne ist in ihr Leben getreten und sie werden heiraten und in sein verwinkeltes altes Bauernhaus ziehen.»
«Das hört sich doch aber sehr nach großer Liebe an.»
«Ach was. Sie kennen Sabrina nicht. Die hat immer alles so überhöht. Das war ihr Versuch, anzugeben und sich ihr Leben schönzureden. Einmal hat sie in Allmenrod mit irgendeinem Besoffenen nachts beim Osterfeuer im Gebüsch gepennt; was meinen Sie, wie pathetisch sie mir davon berichtet hat. Das mit Thomas kam übrigens Knall auf Fall. Das Erste, was ich über ihn hörte, war, dass sie ihn heiratet. Thomas war ja schon ein paar Jährchen älter als wir. Ich nehme an, der war auch froh, endlich eine gefunden zu haben. Dem brannte es in der Hose.»
Winter war es immer unangenehm, wenn eine Frau so explizit wurde.
«Aha. Und wie war das Verhältnis zwischen Sabrina Vogel und ihrer Schwiegermutter?»
«Nicht existent. Die haben sich meines Wissens nie gesehen. Thomas ist hauptsächlich bei seiner Oma aufgewachsen. Mit seiner Mutter hatte er sich überworfen, und es herrschte totale Funkstille. Sabrina tat das leid. Deshalb hat sie Frau Vogel nach Merles Geburt eine Geburtsanzeige geschickt. Sie hat wohl gehofft, dass sich der Bruch irgendwie kitten lässt. Aber als sie das dem Thomas gestanden hat, bekam sie feste eins auf die Nase.»
«Im wörtlichen Sinne?»
«Wie? Ach so, nein, jedenfalls nicht,
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