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Schattenhaus

Schattenhaus

Titel: Schattenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Reichenbach
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mit seinem Problem so alleingelassen zu haben. Auch wenn er nicht hatte wissen können, dass Grafton am Ende sogar auf André schießen würde. Seelisch hatte der Professor seinen Bruder schon getötet, lange bevor er seine Waffe auf ihn richtete.
    ***
    «Um die Sache abzuschließen», beendete Winter, «Mark Bründl behauptet, dass sein Bruder André keine Waffe besitzt oder zu Grafton mitgenommen hat. Eine Schützenausbildung soll er auch nie gemacht haben. Bründl denkt, dass Grafton seinen Bruder angeschossen hat. Aber das ist nur eine Vermutung. Wir müssen noch die Exfreundin befragen. Die könnte was über André Bründl wissen, was der Bruder nicht weiß oder uns nicht sagen will. Vielleicht hat Bründl die Putzfrau erschossen und die Waffe liegenlassen, während er sich an dem sogenannten Giftschrank zu schaffen machte. Dann ist er selbst von Grafton angeschossen worden, der die Waffe und die tote Putzfrau gefunden hatte und in Panik geriet. Wie steht es denn mit Schmauchspuren bei Bründl und Grafton?»
    «Untersuchung der Folien steht noch aus», antwortete Freimann.
    Damit war alles noch offen.
    ***

Drei Tage später saß Winter auf der Treppe vorm «Casino», dem Mensagebäude der neuen Uni, sah auf den Teich und aß ein Stück Kuchen, das er sich aus der Cafeteria geholt hatte. Der neue Unicampus im Grüneburgpark war schön, keine Frage. Die Kombination aus Natursteinfassaden und alten Parkbäumen schuf eine gute Atmosphäre. Andererseits fand Winter die Architektur hier zu bombastisch, zu monumental, zu hart, zu dicht am Nürnberger Reichsparteitagsgelände.
    Ein wenig beneidete er die jungen Leute, die auf der Treppe diskutierend an ihm vorüberzogen oder auf der Wiese unter Bäumen lagen und versunken in Büchern blätterten. Ein Studium in einem Fach wie Geschichte oder Archäologie hätte ihn auch interessiert. Das war etwas anderes als die nüchterne Ausbildung an der Polizeifachhochschule. Doch ein Studium aus reinem Interesse am Fach hatte für ihn damals nicht zur Debatte gestanden. Eine Ausbildung mit sicherer Berufsperspektive war gefragt. Winters Vater war Baggerführer und gelegentlich arbeitslos gewesen, seine Mutter war putzen gegangen. Wenn man aus so kleinen Verhältnissen kommt, hängt man seine Träume nicht hoch. Schon das gute Abitur war ein unerwarteter Erfolg gewesen, der seine Eltern neben Stolz auch einen gewissen Argwohn einflößte, weil sie befürchteten, er könne ihrem Sohn «Flausen in den Kopf setzen», wie etwa ein langes, zielloses Studium. Winter fragte sich plötzlich, was aus ihm geworden wäre, wenn er im Bewerbungsverfahren beim Sporttest durchgerasselt wäre. Knapp war es gewesen, das wusste er noch. Vielleicht hätte er dann doch Geschichte studiert. Sein Leben wäre völlig anders verlaufen. Er hätte Carola, die Wiesbadenerin, niemals kennengelernt, hätte andere Kinder oder keine. Seltsam, dass Glück oder Pech bei einer Bewerbung über ein ganzes Leben entschied.
    Die Ermittlungen konzentrierten sich im Moment auf Grafton, der nach Winters Verdacht mindestens auf eines, aber vielleicht sogar auf beide Opfer geschossen hatte. Graftons verschleierndes, betrügerisches Verhalten betreffs Bründls Tasche sprach gegen ihn. Die blaue Sporttasche war inzwischen von Mark eindeutig als Andrés identifiziert. In dieser Tasche, die ursprünglich neben dem verletzten Bründl auf der Treppe gelegen hatte, mussten sich nach ihrer Rekonstruktion der Kinder- und der Ziegenschädel befunden haben, die Bründl stehlen wollte. Grafton hatte die Tasche später versteckt, und getrennt davon den darin enthaltenen Bohrer und andere Utensilien. Die beiden Schädel hatte er an ihren Platz im Schrank zurückgestellt. Höchstwahrscheinlich weil er nicht wollte, dass die Ermittler die wahren Hintergründe von Bründls Aktivitäten im Haus erkannten. Deshalb hatte Grafton zunächst sogar behauptet, den Schrank selbst angebohrt zu haben. Später hatte er sich eines Besseren besonnen und versucht, es so aussehen zu lassen, als sei aus dem Schrank ein wertvolles Goldobjekt verschwunden. Das sollte wohl Diebstahl aus Habgier vortäuschen, durch einen unbekannten Dritten, der nicht nur Frau Tamm, sondern auch seinen Diebeskompagnon versucht hatte zu beseitigen. Doch André Bründl hatte keinen Kompagnon gehabt, der für die Schüsse verantwortlich sein konnte. An seinen Händen waren definitiv keine Schmauchspuren gewesen, während der Befund bei Grafton «unklar» war. Irgendwie erschien

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