Schattenherz
vergeigt.«
»Kelly, jetzt reg dich nicht weiter auf. Du hast getan, was du konntest, okay? Kommst du jetzt wieder her oder was?«
»Nee, jetzt fahr ich nach Syke zu Frank und lass mich erst mal schick ausführen oder so.«
»Meinst du, das hilft?«
»Das hilft bei mir immer!« Und schon lachte sie wieder.
»Bewundernswert«, sagte Anatol, nachdem er aufgelegt hatte. »Ich hab noch nie jemanden erlebt, der in so einem Affentempo von einer Befindlichkeit zur anderen wechseln kann.«
Malin saà in sich zusammengesunken auf Svennis alter Gartenbank. »Was wird denn jetzt?«, fragte sie leise.
Anatol setzte sich neben sie und nahm sie in den Arm. »Ehrlich gesagt: Ich weià es nicht. So, wie ich Kelly verstanden habe, hat deine Mutter schreckliche Angst um dich. Sie hat ja scheinbar sogar Kelly verdächtigt, dass sie dir was antun will.«
»Es geht um Helmut«, sagte Malin dumpf. »Ich krieg das alles nicht zusammen, aber bestimmt hat der was damit zu tun.«
Anatol stand auf. Er brachte es nicht übers Herz, mit Malin weiter über die ganze Geschichte zu sprechen. Fast fünfzehn Jahre Haft hatten bei ihrer Mutter mit Sicherheit ihre Spuren hinterlassen. Gefängnispsychose, Knastsyndrom oder wie auch immer man das nannte. Jahraus, jahrein vom Rest der Welt abgeschnitten, eingesperrt und bis auf wenige Stunden am Tag auf sich allein zurückgeworfen: Wer weiÃ, was man sich da im Lauf der Zeit alles einbildete. Fest stand: Christina Kowalski war beinahe auf Kelly losgegangen. Warum auch immer.
Anatol stand auf und griff nach Malins Hand. Dann zog er sie hoch. »Komm«, sagte er, »lass uns weitermachen. Mehr können wir jetzt erst einmal nicht tun.«
Kapitel 12
N ico Gräther lachte laut auf, als ihm der Anwalt seines Vaters die Adresse nannte. »Wie heiÃt das? Märchenviertel?! Das passt ja wie die Faust aufs Auge!«
Es war Klaus Behrens nach einigem Hin und Her gelungen, ein junges Pärchen dazu zu überreden, seinen nagelneuen, schick möblierten Bungalow kurzfristig zu vermieten: »⦠ist ja nur für vierzehn Tage, während Sie in Urlaub sind. Und das Ganze geht natürlich ohne Mietvertrag über die Bühne; schlieÃlich soll ja das Finanzamt nichts davon erfahren, oder?«
Frank Schadewaldt stand auf dem Messingschild, das Behrens Nico Gräther mitsamt passendem Doppelklebeband übergeben hatte.
»Perfekt!« Nico war zufrieden.
Als Kellys Mini Cooper am frühen Nachmittag in der Einfahrt hielt, hätte er beinahe vergessen, dass er nicht zum Vergnügen in die Rolle eines gut betuchten Immobilienmaklers namens Schadewaldt geschlüpft war. Vielleicht würde bei der Aktion sogar ein bisschen sommerlich heiÃer Sex herausspringen.
Umso enttäuschter war er, als Kelly keinerlei Anstalten machte, mit ihm an den Pool zu gehen. Stattdessen warf sie sich im Kaminzimmer in einen der Ledersessel und legte erschöpft den Kopf in den Nacken. »Hast du mal ân Kaffee?«
»Cappuccino, Latte macchiato, Espresso lungo?«
»Egal. Ich bin einfach fix und fertig.«
Nico gab sich alle Mühe, in der fremden Küche so selbstverständlich herumzuhantieren, als ob es seine eigene wäre. »Ich dachte, wir lassen uns nachher was Leckeres kommen. Sushi oder so.«
Kelly zog einen Flunsch. »Und ich dachte, wir gehen irgendwohin essenâ¦Â«
»Ganz sicher nicht«, murmelte Nico, während die Espressomaschine zischend Milch aufschäumte. »Du und ich, wir beide waren nämlich niemals hier.«
»Hast du was gesagt?«, rief Kelly von nebenan.
»Nee! Cappuccino kommt sofort.«
Als er mit der Tasse in der Hand das Kaminzimmer betrat, kniete Kelly vor dem Fernseher und drehte ungläubig eine DVD in der Hand. »Free Willy und Die Braut, die sich nicht traut? Na, du hast ja ân eigenartigen Film-Geschmack â¦Â«
Nico verfluchte sich innerlich, weil er das fremde Haus nicht sorgfältiger überprüft hatte. Zwar hatte er sämtliche Familienfotos entfernt und die Kaffeebecher mit der Aufschrift Norbert und Helene ganz nach hinten in den Küchenschrank verbannt â noch hinter die Kochtöpfe â, aber offensichtlich war die Kleine, die er da aushorchen sollte, cleverer, als er angenommen hatte.
Umso verblüffter war er, als Kelly nach einem tiefen Schluck aus der Cappuccino-Tasse entspannt die FüÃe hochlegte und mit
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