Schattenherz
er fest davon überzeugt, dass es sich nur um Kelly handeln konnte. Wahrscheinlich wollte sie noch ein paar Tage bei ihrem Lover bleiben.
»Hi«, sagte er, »bleibst du länger?«
Jemand kicherte am anderen Ende der Leitung. »Nicht freiwillig, das kannste mir glauben!«
Die Stimme klang rau und das Wort glauben hörte sich wie kloben an.
»Hallo �« Kelly war das eindeutig nicht und Anatol hatte angesichts der starken, in seinen Ohren wie tiefstes Sächsisch klingenden Dialektfärbung seine Zweifel, dass es sich bei der Anruferin um Malins Mutter handelte.
»Mit wem sprech ich denn bitte?«, fragte er vorsichtig.
»Und mit wem sprech ich?«
Die Frau war ganz schön tough, das war unüberhörbar.
»Ich bin ein Freund von Kelly.« Anatol hielt es für besser, der Unbekannten seinen Namen nicht zu nennen. »Wenn Sie Kellys neue Nummer haben wollenâ¦Â«
»Ich kenn keine Kelly« â so wie sie es aussprach, hörte sich das an wie genn-geene-Gelli. »Ich bin die Rita und ich ruf ausm Knast an. Und ich hab weder Zeit noch Lust, mit dir hier rumzudiskutieren. Also: Was habt ihr mit Malin vor?«
»Um Himmels willen! Was sollen wir denn mit ihr vorhaben? Gar nichts! Wieso?«
»Und was sollte das dann, von wegen rufen Sie diese Nummer an?«
»Ach so ⦠« Langsam wurde Anatol der Zusammenhang klar. Malins Mutter war ja gar nicht erst auf die Idee gekommen, dass Kellys Besuch freundlich gemeint sein könnte. Im Gegenteil! Und jetzt hatte sie möglicherweise jemanden vorgeschickt, um das Terrain zu sondieren.
»Hören Sie«, sagte er, » das Ganze ist ein Missverständnis! Bitte richten Sie Frau Kowalski aus, dass es Malin gut geht und dass sie sie unter dieser Nummer anrufen kann! Oder ihr einen Brief schreiben. An die Adresse, die auf der Visitenkarte steht.«
»Jetzt hör mal zu, mein Jungchen: Solangâ du mir nicht die Malin ans Rohr gibst, damit sie mir das höchstpersönlich sagt, glaub ich dir kein Wort. Also holste mir die Kleene jetzt mal schleunibusi an den Apparat, verstanden?«
»Sorry, aber Malin schläft. Sie hat bis heute früh â¦Â«
»Egal«, unterbrach ihn Rita-genannt-Würschtl. »Dann weck se uff, Jungchen.«
Christina Kowalski glaubte, ihren Ohren nicht trauen zu können.
»Du hast da angerufen?! Einfach so?«
»Na und?« Rita grinste. »Was sollâs? Wenn da irgendwas gegen deine Kleene im Busch gewesen wäre, hätt ich das schon mitgekriegt!«
»Aber ⦠Was hat denn das alles zu bedeuten mit dieser sonderbaren jungen Frau und den Interview-Fragen und so weiter? Das war doch eindeutig âne Falle â¦Â«
»Nee! Eben nicht! Also was jetzt: zuerst die gute oder zuerst die schlechte Nachricht?«
»Erst die gute.«
»Okay! Deine Kleene hat sich abgesetzt! Ist abgehauen und hockt zusammen mit der Interview-Tante, die hier war, und mit ihrem Freund in âner Art geheimen Hütte irgendwo in Norddeutschland.«
»Und die schlechte Nachricht?«
»Die schlechte Nachricht ist, dass du recht hast. Der gute Helmut hatâs anscheinend wirklich auf sie abgesehen.«
»GroÃer Gott!« Christina Kowalski schlug die Hände vors Gesicht. »Weià er denn, wo sie ist?«
Rita zuckte die Achseln. » Das wissen die drei da oben selber nicht. Ich hab deiner Kleenen jedenfalls gesagt, dass du sie lieb hast und dass wir zwei beide jetzt erst mal Kriegsrat halten müssen und gucken, wieâs weitergeht.«
Christina nickte stumm.
»Nu wein man nichâ. Wird doch alles werdenâ¦Â«
»Was⦠was ⦠hat sie denn sonst noch gesagt?«
Rita lächelte. »Ach Jottchen, die war doch noch ganz verpennt, deine Kleene! Ich hab ihr jedenfalls klargemacht, dass wir hier nichâ einfach nach Lust und Laune telefonieren dürfen und dass du frühestens morgen Mittag selber bei ihr anrufen kannst.«
»Ja. Das ist gut.«
Als Christina Kowalski sich einigermaÃen beruhigt hatte, straffte sie sich und drückte den Rufknopf, mit dem die Gefängnisinsassinnen im Notfall Kontakt mit dem Personal aufnehmen konnten.
Brigitte Siebenrock stöhnte, als der Anruf kam. Sie war in Gedanken bereits beim Kofferpacken für Kotor, Montenegro: drei Wochen Berge, Wasser, Vollpension und das Ganze für unter tausend Euro.
»Selbstmord zu dritt? Fabelhaft!« Helmut
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