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Schattenherz

Schattenherz

Titel: Schattenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Bliefert
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dem Satz »Du, Frank, ich hatte ’n voll schrillen Tag. Das muss ich dir erzählen!« dazu ansetzte, ihm alles, wirklich alles zu erzählen, was Malin, Christina Kowalski und jenen unbekannten jungen Mann namens Anatol betraf.
    Während Nico Gräther Kellys munterem Geplapper lauschte, wurde ihm einen Moment lang schmerzlich bewusst, was für einen wundervollen Tag er mit seinem hübschen, redseligen Gast verbringen könnte, wenn sein Vater nicht wäre. Oder wenn sein Vater einfach nur ein anderer Mensch wäre: liebevoll, fürsorglich oder einfach so, wie andere Väter auch. Nico war erst im Laufe der Jahre klar geworden, dass sein Vater ihn mit voller Absicht schon damals, als er noch nicht einmal erwachsen war, für seine Pläne eingespannt hatte. Und später hatte es dann regelrecht Methode, ihn immer tiefer in seine Machenschaften zu verstricken und zum Komplizen zu machen: Betrug, Unterschlagung und versuchter Mord. Auch wenn es zwischen ihnen niemals ausgesprochen wurde: Wenn sein Vater aufflog, würde auch er nicht ungeschoren davonkommen.
    Nico seufzte.
    Es hatte keinen Sinn, weiter darüber nachzudenken.
    Als Kelly am frühen Abend erklärte, sie wolle noch vor Einbruch der Dunkelheit zurück nach Bedekaspel fahren, verließ Nico Gräther alias Frank Schadewaldt das Kaminzimmer und kam mit ihrem Rucksack in der Hand zurück. Er kramte ihr iPhone hervor, hielt es ihr hin und sagte in eigentümlich verändertem Tonfall: »Ruf da an und sag, du kommst morgen.«
    Kelly lachte. »Ich denk ja nicht dran! Bisschen mehr Mühe, mich zu verführen, darf’s dann schon sein.«
    Â»Kannst du haben«, sagte Nico Gräther, nahm die Glock 26 aus Kellys Rucksack und schob das Magazin in den Griff. »Wie wär’s damit?«
    Â»Mensch, Mädel, was machste denn für Sachen?« Rita Wenzel hatte bereits ungeduldig auf ihre Zellennachbarin gewartet. Die stille Post hatte wie immer vorzüglich funktioniert: Als Christina von der Krankenstation zurückkam, wussten sämtliche Mitgefangenen bereits bestens Bescheid, was geschehen war.
    Â»â€¦ nur ’n kleiner Kreislaufkollaps«, wiegelte Christina ihre aufgeregten Fragen ab und die meisten ließen es dabei bewenden.
    Â»Liegt bestimmt an der Scheiß-Hitze.«
    Â»Kein Wunder, wenn du da draußen immer schuftest wie ’n Tier.«
    Rita jedoch war nicht so leicht hinters Licht zu führen. »Mensch Chrissie! Bist doch ’n zähes Aas! So spillerig, wie du auch bist: Dich haut doch trotzdem so schnell nichts aus den Pantinen!«
    Die kleine, dicke Erfurterin nahm Christina fest in beide Arme. »Mach mir kein’ Ärger, Mädel«, sagte sie leise. » Was auch immer es is: Das muss ma’ runter von deine Seele.«
    Â»Morgen«, antwortete Christina hastig. » Morgen erklär ich dir alles.«
    Â»Nee, nee, jetze!« Ritas kampflustig funkelnde Knopfaugen ließen keinen Zweifel daran aufkommen, dass Widerspruch zwecklos war. » Zu dir oder zu mir?«
    Â»Zu mir.«
    Bis zum abendlichen Einschluss hatten sie noch eine knappe Stunde Zeit. Es wurde ungewöhnlich ruhig auf der Station. Einige Frauen waren beim Volleyball, andere spielten im Freizeitraum Karten; die meisten saßen im Fernsehraum und schauten sich den üblichen Vorabend-Krimi an. Zwar hatten fast alle einen eigenen Apparat in ihrer Zelle, aber zusammenzusitzen und gemeinsam abzulästern, hatte denn doch den weitaus höheren Unterhaltungswert. Außerdem war im Fernsehraum der Bildschirm größer.
    Rita bestand darauf, dass ihre Freundin sich auf das Bett, das tagsüber als Sofa-Ersatz diente, legte; sie selbst nahm auf Christinas Schreibtischstuhl Platz.
    Â»Also?«
    Â»Guck mal da, unter dem Briefstapel, die blaue Mappe.« Christina deutete auf das Wandregal, auf dem sich ihre wenigen Habseligkeiten befanden.
    Die abgegriffene schwarz-blaue Kunststoffmappe enthielt mehrere durchsichtige Dokumentenhüllen. Die meisten waren leer, lediglich in den vorderen drei befanden sich zwei Fotos und mehrere Kinderzeichnungen: ungelenke Kopffüßler und sonnenartige Gebilde mit angedeuteten Strichmännchen-Gesichtern; typisch für Vierbis Fünfjährige.
    Christina streckte die Hand nach der Mappe aus und zog eines der beiden Fotos heraus. Es zeigte eine junge Frau mit langen braunen Haaren, die in einem altmodischen Gartenpavillon auf einem

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