Schattenherz - Fesseln der Dunkelheit
schauen.
„ So schön“, flüstere ich.
„ Ich komme gerne her, wenn ich mal den Luxus hinter mir lassen will.“
„ Das hier ist Luxus“, wende ich ein.
Er nickt. „Zugegeben. Aber anders.“
Ich gehe hinüber ans Fenster und lehne meine Stirn an die kühle Scheibe. All die Hektik der Stadt ist so fern. Von hier aus, sieht sie irgendwie hübsch aus.
„ Stört es dich?“, fragt er mich.
Ich drehe mich zu ihm um. Er steht noch immer an der Treppe, einen halben Raum von mir entfernt.
„Was denn?“
„ Dass du nun so isoliert bist. In der Stadt findest du andere Häuser und Bewohner. Außer meinem Haus gibt es weit und breit nichts an diesem Ort.“
Es gibt dich , denke ich.
„ Nein, es stört mich nicht.“
„ Gut.“ Er reibt sich voll Tatendrang die Hände. „Die Nacht ist jung, wir sollten etwas unternehmen. Was meinst du?“
Am liebsten würde ich gar nichts tun, einfach nur hier bleiben und ewig hinaus schauen, bis die Müdigkeit mich übermannt oder die Sonne wieder aufgeht. Der Morgenhimmel muss malerisch von diesem Zimmer sein.
„Normalerweise sagt mir Tylandora, was ich tun soll. Wenn sie keine Aufgaben hatte, war ich verpflichtet, mich in meiner Kammer zur Verfügung zu halten.“
„ Ich wünschte, ich hätte dich schon früher von ihr fortholen können.“ Bedauern liegt in seinem Gesicht.
Das wünsche ich mir auch. Am besten wäre es, wenn ich bei meinen Eltern hätte aufwachsen können. Wünsche können sehr einsam sein. Ich wende mich ab und schaue hinaus. Mit meinem Finger ziehe ich Linien übers Glas, male die Umrisse der Stadt nach.
„Am Anfang fiel es mir sehr schwer bei ihr“, sage ich und alte Erinnerungen wandern durch meinen Kopf. „Ich wusste, wie Leben sein kann. Ständig habe ich Dinge vermisst, die ich von früher kannte und später habe ich mir Dinge gewünscht, die ich nicht kannte. Irgendwann kam der Punkt, da sich nichts änderte und ich sowieso keinen Einfluss nehmen konnte, wo alles egal wurde.“
So viel Schwärze kommt hoch, so viel Dunkelheit kratzt unter meiner Oberfläche. Ich lecke über meine Lippen. „Irgendwie erträgt man es und irgendwann ist sogar die Hoffnung tot. Ich habe versucht, mich über Kleinigkeiten zu freuen – etwa, wenn ich leckere Essensreste bekam. Wenn die Tage länger wurden. Wenn ich mitten in der Stadt ein Eichhörnchen sah oder Vögel singen hörte.“
Ich lächle bei der Erinnerung und male weiter Linien aufs Glas. Meine Fingerkuppe fühlt sich klamm an. „Wenn ein Tag verging, an dem niemand mich drangsalierte. Glück kann auch in kleinen Dingen stecken. Aber...“ Ich schlucke und mein Hals ist trocken. „Aber alles war kalt, wisst Ihr? Niemand war herzlich oder lachte mit mir. Ich habe mich weniger einsam gefühlt, wenn ich allein war als unter ihnen.“
„ Mit ihnen meinst du Vampire?“, fragt er vorsichtig.
„ Ja.“
„ Ich bin auch einer“, sagt er schlicht.
Er bringt alles in mir durcheinander. Es ist lange her, dass ich mich bei einem Vampir wohl fühlte.
„Ich weiß“, antworte ich und bin mir nicht sicher, ob ich das emotional begreife. „Mir ist klar, dass ich kein Leben ohne einen vampirischen Vormund haben kann.“
Ich höre seine Schritte auf dem Boden und sehe seine Spiegelung in der Scheibe. Konstantin steht nur noch eine Armeslänge von mir entfernt.
„Damit hast du dich abgefunden.“
„ Ja“, flüstere ich.
„ Ist mein Zustand für dich erträglich?“
Diese Frage scheint ihn umzutreiben.
„Natürlich. Ich habe nicht grundsätzlich etwas gegen Vampire“, erkläre ich ihm. „Meine Eltern waren Vampire. Daher kann ich nicht alle verteufeln. Wie könnte ich dann ihr Andenken wahren?“ Er nickt. „Ich wünsche mir keinen anderen Herrn. Es geht mir so gut wie seit dreizehn Jahren nicht mehr. Ihr habt mir mehr gegeben, als ich mir zu träumen erlaubte.“
Es fällt mir leichter, es ihm in der Spiegelung der Scheibe zu gestehen. Das macht ihn beinahe so unwirklich wie im dunklen Zimmer beim Empfang.
„Du mir auch“, flüstert er.
Ich schließe meine Augen und lege die Hand flach aufs Glas. Für ein paar Herzschläge steht die Zeit still. Was sollte ich ihm gegeben haben? Konstantin Rouillard kann sich alles kaufen. Er steht auf der Gewinnerseite dieser Welt. Ich habe sein Haus gesehen, sein weltmännisches Auftreten. Es muss schwer sein, sich überhaupt noch etwas zu wünschen, wenn man längst alles hat. Vor allem Eltern. Familie. Liebe.
„Wenn du einen Wunsch frei
Weitere Kostenlose Bücher