Schattenherz - Fesseln der Dunkelheit
Baumwollschlüpfern zu erweitern, scheitert am mangelnden Angebot. Ich bin etwas ungläubig, hätte angenommen, dies wäre ein Standard-Verkaufsartikel. Stattdessen kann man „nur“ zwischen Seide, Satin, Spitze und derlei Dingen wählen. Etwas wie Fünferpacks gibt es ebenfalls nicht.
Als ich einen cremefarbenen Slip mit dezenter Spitze finde, bin ich einigermaßen beruhigt, obwohl es im Vergleich zu meiner bisherigen Unterwäsche sozusagen der Ferrari ist. Ich will schon im Warenkorb angeben, dass ich dieses Exemplar einfach zehn Mal nehme, doch bevor ich bestätige, halte ich inne. Ich werfe einen scheuen Blick über die Schulter und kann Konstantin nirgends finden. Unschlüssig kaue ich auf meiner Unterlippe. Ach wieso nicht?
Ich öffne erneut das Sortiment und entscheide mich dafür, verschiedene Slips und BHs zu kaufen. Farblich bleibe ich im Pastellbereich; gelb, blassrosa, hellblau und lindgrün. Im Grunde hätte ich es dabei bewenden lassen können, doch dann entdecke ich eine Farbe, die mich an die Morgendämmerung erinnert – ein herrliches Purpur.
Es wandert mit dem passenden BH in den Warenkorb und ich schmunzle, während ich Strümpfe und ein paar Hemden auswähle, die das Wort nicht verdienen, weil sie nur hauchzarte, schimmernde Stoffe mit viel Spitze sind. Das sind eher Dessous als Unterwäsche.
Ich argwöhne, dass Konstantin die Seite für seine bisherigen Freundinnen genutzt hat. Sofort frage ich mich, wer sie waren und was er mit ihnen getan hat. Gibt es zurzeit eine Frau in seinem Leben?
Entschlossen schiebe ich den Gedanken beiseite. Solche Fantasien helfen mir nicht weiter. Er hat mich geküsst, richtig. Mir ist klar, dass es für mich eine andere Bedeutung hat als für ihn. Was in meiner Erfahrung einmalig war, stellt in seiner Welt etwas dar, das er zuletzt mit fünfzehn getan hat. Rumknutschen wie ein Teenager. Ich bin einer, er nicht. Eifersucht kann eine hässliche Natter sein.
„Hast du etwas gefunden?“, höre ich ihn hinter mir und schrecke auf.
„ Oh… ja habe ich.“ Hastig füge ich den letzten Artikel dem Warenkorb hinzu und gebe ihm den Laptop zurück. Er setzt sich neben mich.
„ Okay, dann schicke ich die Bestellung ab. Wollen wir draußen spazieren gehen?“
Ich nicke munter. Bei Tylandora war ich so oft eingesperrt, dass ich es liebe, draußen zu sein.
„Gut, dann geh dir deine Jacke holen, ich komme gleich nach“, schlägt er vor.
Ich laufe in mein Zimmer und ziehe meine Wintersachen aus dem Schrank. Das Servierkleid ist zu dünn und ich wechsle in Hosen und zwei Pullis, die ich übereinander trage. Schal und Mütze folgen, ab in die Jacke und schon stehe ich fertig verpackt vorm Spiegel.
Ich sehe aus wie immer und kann mir nicht vorstellen, wie ich mit den neuen Sachen aussehen werde. All diese Kleidung, die er mir da bestellt. Ich bin aufgeregt, lebe allein mit ihm auf dieser Etage. Warum hat er mich nicht im Erdgeschoss untergebracht? Hat er Armand auch so viel Kleidung besorgt? Ich kann es mir nicht vorstellen, doch noch viel weniger passt das Bild in meinen Kopf, weshalb ich für ihn etwas Besonderes sein sollte.
Als ich die Tür aufschwinge, steht er mit zum Klopfen erhobener Hand vor mir und wir lächeln beide. Mein Mund wird trocken, meine Wangen glühen und mein Herz tanzt in meiner Brust. Obwohl ich diese Symptome ständig bei ihm habe, gewöhne ich mich einfach nicht daran. Es scheint eher schlimmer zu werden.
Wir laufen nach unten und durch die Haustür hinaus. Die Nacht ist herrlich frisch und klar. Sterne funkeln am Himmel. Vom See steigt Dampf auf und breitet einen feinen Nebel über dem Ufer aus. Bald wird alles zugefroren sein.
„ Läufst du dort mit Schlittschuhen?“, frage ich ihn und nicke hinüber zum Wasser.
Er grinst mich an. „Das habe ich zuletzt gemacht, als ich klein war. Kannst du es?“
„Nein. Ich hatte keine Schlittschuhe. Es muss schön sein.“
Konstantin lächelt. „Das ist es nur, wenn man es kann. Sonst fällt man ziemlich viel und hart. Bis Weihnachten hatte ich so viele Flecken am Körper, wie es Türchen im Weihnachtskalender gibt. Irgendwann konnte ich es zum Glück und im nächsten Jahr bin ich nur noch hingefallen, wenn ich zu waghalsig über das Eis schlitterte.“
Schnee knirscht unter unseren Schritten und wir spazieren über sein weitläufiges Grundstück. Die Dunkelheit schluckt die Konturen und jede Tiefe verliert sich in den Schatten. Nachts fällt es mir schwerer Entfernungen abzuschätzen. Ich
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