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Schatteninsel

Schatteninsel

Titel: Schatteninsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marko Hautala
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wir ruhig«, sagte Markus.
    Auch er hatte Geld. Seine Mutter hatte ihm am Vorabend fünfhundert Drachmen für die Spielhalle gegeben, aber sie hatten einen interessanteren Zeitvertreib gefunden, in Gesellschaft irgendwelcher Norweger, die etwas älter waren als sie und an einer der Buden Spielkarten mit verschwommenen Fotos von nackten Frauen gekauft hatten.
    Als sie am Elterntisch vorbeigingen, fragte Lisa:
    »Wohin des Weges?«
    Ihre Stimme klang belustigt und betrunken, daher war keine vernünftige Antwort erforderlich. Sie beschleunigten einfach ihre Schritte.
    Die Gassen waren schmal und voll von rotverbrannten Erwachsenen, Männern und Frauen, die alles mit halb geschlossenen Augen und gelangweilter Miene betrachteten. Die Kinder plapperten laut und selbstsicher. Markus konnte sich nicht vorstellen, dass ein Vulkanausbruch oder ein Erdbeben ausreichen würde, um die ziellos wirkende Betriebsamkeit und den Strom unbekannter Gesichter anzuhalten.
    Jenni blieb an einer Bude stehen und ließ den Blick langsam von rechts nach links über das Angebot schweifen. Markus sah nichts als Farben und Formen, die er schon an vielen Buden gesehen hatte.
    »Ui«, sagte Jenni und zeigte auf eine kleine Puppe.
    Markus sah sie an. Eine ganz normale Puppe. Sie war vielleicht zehn Zentimeter groß, ein nach oben blickendes Mädchen mit einem bunten Kopftuch und einem gitarrenähnlichen Instrument.
    »Was ist damit?«, fragte er.
    »Wunderschön«, sagte Jenni und legte die Hände vor den Mund.
    Markus musterte die Puppe erneut und versuchte zu verstehen, was an ihr so außergewöhnlich sein sollte. Er war überzeugt, dass Jenni ihn aufzog. Etwas so Gleichgültiges konnte ihr nicht wirklich gefallen.
    »Na, dann kauf sie halt«, sagte er provokativ.
    »Nein …«, warnte Ina.
    Markus ärgerte sich über Inas Ängstlichkeit, aber Jenni schien die Mahnung ernst zu nehmen.
    »Ich kauf sie dir«, sagte Markus und holte ein Bündel Drachmen aus dem Geldbeutel, der ihm um den Hals hing.
    »Nicht nötig.«
    Jenni und Ina wagten nicht mehr zu protestieren, da der Händler die durchsichtige Plastikschachtel mit der Puppe bereits in der Hand hielt. Er nannte den Preis, und Markus gab ihm einen Geldschein. Der reichte nicht. Der Mann tippte mit seinem dicken Finger auf das Preisschild. Markus gab ihm mehr Geld. Und noch mehr.
    Als die Puppe schließlich in einer kleinen Plastiktüte steckte, nahm Markus seinen Kauf und ging, Jenni und Ina im Schlepptau, zum Restaurant zurück. Er verfluchte sich selbst, weil er so viel Geld für eine alberne Puppe vergeudet hatte.
    »Ina, lässt du uns mal kurz allein«, bat er, als sie vor dem Restaurant standen.
    Ina machte ein beleidigtes Gesicht, trat aber einige Schritte beiseite. So war sie.
    Markus nahm die Schachtel aus der Tüte, öffnete sie und hielt Jenni die Puppe hin. Als sie danach greifen wollte, sagte er:
    »Das ist keine gewöhnliche Puppe.«
    Jenni sah ihm in die Augen.
    »Es ist eine haitianische Voodoo-Puppe. Solange du sie hast, ist alles in Ordnung. Wenn du sie verlierst, gewinnt derjenige, in dessen Besitz sie gerät, Macht über dich und kann dir Arme und Beine ausreißen oder dich ertränken.«
    Jenni lachte auf.
    »Lach nicht«, sagte Markus. Er sah Jenni in die Augen, bis sie ernst wurde, und winkte dann Ina herbei. Gemeinsam gingen sie zurück ins Restaurant. Der Kellner, der an der Tür stand, erkannte sie und hieß sie willkommen.
    Als Markus eintrat, fasste ihn jemand am Ärmel seines T-Shirts.
    »Wo wart ihr?«
    Sein Vater musterte ihn durch seine Sonnenbrille. Jenni und Ina stellten sich nebeneinander auf wie Soldaten, die vorgeben, Wache gestanden zu haben.
    »Einkaufen«, sagte Markus.
    Wenn sein Vater betrunken war, empfahl es sich meist, ehrlich zu sein.
    »Was habt ihr gekauft?«
    Markus überlegte, ob er ihm die Wahrheit oder irgendeine Geschichte erzählen sollte.
    »Eine Voodoo-Puppe«, sagte er schließlich.
    Sein Vater schwankte, aber nur so leicht, dass es außer Markus niemand merkte.
    »So, eine Voodoo-Puppe«, wiederholte Markus’ Vater und lächelte. »Ist ja toll.«
    Seine Lippen schmatzten bei jedem Wort, und er schnaufte laut.
    »So eine«, mischte sich Jenni plötzlich ein und zeigte ihm die Puppe.
    Der Vater lockerte seinen Griff und betrachtete das Souvenir. Das glaubte Markus jedenfalls.
    »Wirklich hübsch«, meinte der Vater. »Von welchem Geld habt ihr die gekauft?«
    »Na … von Markus seinem«, erwiderte Jenni unsicher.
    Es wurde still. Wider

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