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Schattenjagd

Schattenjagd

Titel: Schattenjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilith Saintcrow
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Augen, direkt unterhalb des farblosen Edelsteins, der an ihrem Haaransatz glitzerte.
    Wie Schweine hast du sie abgestochen, Bebe. Du hast gehört, wie sie um Gnade winselten, aber du hast sie ignoriert. Du warst Richterin, Geschworene und Vollstreckerin in einer Person, du hast Gott gespielt.
    Ihre sanfte, herzlose Stimme schnatterte in meinem Kopf. So knapp davor war ich gewesen, ihr zu unterliegen. Wer war es wohl gewesen, der meine Spur bis hierher verfolgt hatte, Saul oder Perry? Ich fragte mich auch, wie tief ich bei Perry wirklich in der Schuld stand.
    Der Gedanke daran, diese Schuld abbezahlen zu müssen, ließ es mir kalt den Rücken runterlaufen.
    Möglicherweise verstand Inez das als Schwäche oder Zweifeln. Ihre Augen leuchteten auf, Funken fingen in den schwarzen Tiefen zu tanzen an, und trotz des grausamen Sitzes des Knebels verzog sich ihr Mund zu einem Lächeln. Die Werwesen hatten schon vor langer Zeit gelernt, bei Sorrow keine Risiken einzugehen.
    Auch ich hatte meine Lektion erhalten. Ich hätte Belisa gleich beim ersten Mal umbringen sollen. Aber ich hatte es nicht getan.
    „Richter, Jury, Vollstrecker“, sagte ich rauchig. Dann wurde die restliche Welt schwarz, und nur wir beide blieben in einer Blase aus Stille zurück. „Genau wie du, du Sorrow-Miststück.“
    Ihre Augen weiteten sich.
    „Es gibt nur einen Unterschied, Inez.“ Mein Mund war ganz trocken, gerne hätte ich noch einen Schluck Brandy gehabt. Gerne hätte ich losgebrüllt.
    Doch am allermeisten wollte ich an diesem klaren, kalten Ort bleiben, wo nichts eine Rolle spielte außer dem momentanen Job, der Exekution, die durchgeführt werden musste. Hier war alles so beschissen einfach. Erst Erbarmen versaute alles. Liebenswürdigkeit und Mitleid waren es, die alles durcheinanderbrachten.
    Ein schneidend kaltes Lächeln erschien auf meinen Lippen, als ich zusah, wie sie immer verzweifelter versuchte, ihre Fesseln zu lösen. Samt raschelte, als sie sich auf dem Boden hin und her wand, und hinter dem Knebel drang ein dünner, erstickter Laut hervor.
    Ich atmete tief durch, eisiger Sauerstoff drang brennend in meine Lungen. „Ich bin eine Jägerin. Ich bin verflucht noch mal das Gesetz in dieser Stadt, Schlampe. Das Urteil ist gefällt.“
    Ich drückte ab.
    Feuer schoss aus der Mündung, und ein Ruck ging durch ihren Körper. Ihr Kopf explodierte regelrecht – Saul hatte mit Hohlspitzen nachgeladen, und so zäh Sorrow auch werden können, im Kern sind sie immer noch menschlich. Anders als Perry.
    Machte das aus ihnen die größeren oder die kleineren Monster?
    Ich ließ die Waffe um einen Tick sinken und drückte noch einmal ab. Und wieder. Und wieder.
    Das Magazin musste noch voll gewesen sein. Unablässig feuerte ich auf ihren Körper, der zuckte und sich verkrampfte. Dann ertönte nur noch leeres Klicken, zweimal, dreimal, viermal, fünfmal, bevor Saul mir die Kanone aus den schwächenden Händen löste, mich in die Arme nahm und dort rausschleppte. Ich wollte bleiben, Melisande finden und sie mit bloßen Händen ermorden. Wie ein Rohrspatz schimpfte ich in meiner gebrochenen, kratzigen Stimme, brauste auf, dass ich genau das tun würde! So lange, bis ich so schlimm zitterte, dass meine Zähne klapperten und ich die Worte nur noch bruchstückhaft herausbrachte.
    Dann fing ich in Sauls Armen an zu schreien, schrie und schrie, bis er mich aufhob und nach draußen trug, wo der Gestank der Müllhalde übermächtig wurde. Aber wenigstens gab es hier Sonnenlicht, auch wenn es nur traurig dünn durch dicke Wolken fiel. Schließlich war es Perry, der mir den Mund zuhielt, und mir etwas ins Ohr flüsterte. Ein Wort in Helletöng, ein langgezogenes, düsteres Wispern, das mich in einen Schlaf versetzte, der so tief war wie der Tod.
    Und ich war dankbar dafür.

26
     
     
    Ich hatte mich geirrt. Perry hatte meine Spur aufgenommen -durch das Mal, und zwar trotz der Wunde in seinem Kopf. Es war auch Perrys Vorschlag gewesen, die Werwesen wissen zu lassen, in welchen Schwierigkeiten ich steckte. Er und Saul hatten im Micky’s vorbeigeschaut und als erstes Theron in alles eingeweiht.
    Die Werleute waren gekommen, weil ich eine Jägerin war und weil ich Sauls Gefährtin war – aber, und das war viel wichtiger, weil sie mich respektierten. Nett zu wissen, dass ich bei ihnen so hoch im Kurs stand. Sie sind nämlich verdammt schwer zu beeindrucken.
    Die ersten zwei Tage dämmerte ich in einer todesgleichen Starre vor mich hin und erledigte

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