Schattenjagd
sauberen schnellen Tod, wenn meine Zeit gekommen ist. Halte Deinen Schild über mich. Mein Schwert möge Deine Kinder beschützen und Deine Gerechtigkeit auf Erden durchsetzen.
Lass mich die Schwachen verteidigen und die Unschuldigen beschützen.
Lass mich Unrecht bekämpfen und Gutes tun.
Gott, mein Herr, ich bitte dich › steh mir bei, wenn ich den Legionen der Hölle gegenübertrete.
In Deinem Namen und mit Deinem Segen ziehe ich aus, die Nacht zu reinigen.
Es ist das Gebet der Jäger, von dem mehrere verschiedene Versionen überliefert sind: Michail sagte es immer in Gossen-Russisch auf und sang die Worte mit fremdartiger Anmut. Ich habe schon Varianten in Spanisch mit Flamenco-Akzent und feierlichem Latein gehört, auch in ratterndem und schnellem Deutsch zitiert. Sogar auf Schwedisch gesungen und auf Griechisch gegurrt, in volltönendem Koreanisch und lustlos dahin-gefluchtem Französisch, alles ist mir schon untergekommen. Einmal, das weiß ich noch genau, habe ich einem mexikanischen Vaduienne gelauscht, der es auf Nahuatl regelrecht ausspuckte, während die Luft voller Schießpulver und dem Fauchen von Höllenbrut war. Ich, ich spreche es auf Englisch und gebe jedem einzelnen Wort sein eigenes Gewicht. Es tröstet mich.
Vielleicht nur ein schwacher Trost, dass Jäger auf der ganzen Welt dieses Gebet zu jeder denkbaren Zeit aufsagten. Es war ein schwacher Trost, dass ich Teil einer Kette war, die sich zurück bis zu den ersten Jägern seit Menschengedenken erstreckte, zu den heiligen Huren von Inanna, die vom ältesten aller Zauber Gebrauch gemacht hatten, um die Nachtschatten aus den Städten zu vertreiben: von der Magie des Körpers vereint mit der von Stahl. Die Priesterinnen damals stammten von den nackten Schamaninnen der Altsteinzeit ab, die Menstruationsblut, Kräuter, Bronze und die Macht ihres Glaubens einsetzten, um ihre Lager und Siedlungen mit Schutzwällen zu umgeben. Auf diese Art erfassten und festigten sie auch die Theorien von Anziehung und Abneigung, welche die Basis jedes großen Zaubers der Jägermagie bilden. Diese Frauen waren die Ersten gewesen, die im taugetränkten Gras Ley-Linien nachverfolgten und aus der Erde selbst Energie schöpften, um die Hölle in ihre Schranken zu verweisen und die Welt für Normalsterbliche sicher zu machen.
Ein verflucht schwacher Trost, ja. Aber mir war er recht. Jede Frau in dieser Kette hatte ihren Beitrag geleistet, jeder Mann, der sein Leben geopfert hatte, um die Unschuldigen zu retten, hatte etwas beigetragen, und alle hatten eine Form dieses Gebetes gesprochen. Gott, steh mir bei, denn ich ziehe hinaus in die Dunkelheit, um zu kämpfen. Sei meine Stärke, denn ich werde tun, was ich kann.
Als ich fertig war, beugte ich das Knie. Auf dem Altar schimmerten Kerzen, eine alte Frau beäugte mich neugierig, als ich beide Hände ins Weihwasser tauchte. Sie sah einigermaßen schockiert aus, als ich mir das Wasser übers Haar und die Schultern meines zerfetzten Mantels träufelte. Außerdem malte ich mit dem kühlen, geweihten Nass zwei Streifen auf meine Wangen, ähnlich der Kriegsbemalung von Saul. Ein letztes Mal noch fiel ich vor dem Altar aufs Knie, zwinkerte der alten Frau zu und traf Saul im Vorraum, wo er darin vertieft war, das Buntglasfenster über der Tür mit dem Motiv der Magdalena anzustarren, die reuige Sünder mit offenen Armen empfing. Zwischen seinen zartfühligen Fingern ließ er abwesend die Pfeilspitze aus Obsidian an ihrem Lederzopf baumeln. Immer wieder drehte er ihn um und streichelte über die eingeflochtenen Haarsträhnen und Federn.
Schweigend fuhr er mit der erlaubten Höchstgeschwindigkeit bis zu dem bekannten zertrümmerten Gehsteig draußen im Industriegebiet, wo das Monde Nuit inmitten seines Schlicktümpels von sphärischer Leblosigkeit kauerte.
Er parkte in der Feuerwehrzufahrt, nahm meine Hand und drückte meine Finger, kräftig. Dann ließ er Zentimeter für Zentimeter los. Noch eins unserer Rituale.
Wenn er könnte, würde er mich ins Monde begleiten. Aber ein Werwesen in einer Höllenbrut-Bar würde nur Ärger heraufbeschwören, und ich hatte die leise Vermutung, dass Perry Saul nur zu gerne in seinem eigenen Revier hätte.
Das ist genau das, was du in einem Moment wie diesem auf keinen Fall denken solltest, Jill. Ich starrte durch die Windschutzscheibe. Vor mir sah ich die niedrige Vorderseite des Monde, die mit ihrem geschwungenen Eingang, beschienen von einladendem, goldenem Licht, lockte. Eine höllisch
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