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Schattenjagd

Schattenjagd

Titel: Schattenjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilith Saintcrow
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Sauls Tonfall war völlig nüchtern und sein Blick so finster und ernst, wie ich ihn noch nie erlebt hatte.
    Dann warf ich Perry einen Blick zu. Er starrte noch immer in seine Kaffeetasse und tat völlig desinteressiert. Dennoch sah er elend aus. Mein blaues Auge zuckte, und ich erkannte die Umrisse seiner Aura, die leicht ausgefranst und mürbe schien.
    Anscheinend war unsere Lieblings-Höllenbrut bei Tag nicht gerne draußen. Das verschaffte mir urplötzlich tierisch gute Laune. In seiner Jacke, den Hosen und dem frischen weißen Hemd sah Perry beinahe normal aus – und als fühle er sich ausgesprochen unwohl.
    Fall nicht darauf rein, Süße. Das ist auch nur wieder eine seiner dreckigen kleinen Scharaden. Wenn Saul nicht hier wäre, bekämen wir mit Sicherheit einen völlig anderen Perry zu Gesicht.
    „Wendigo“, murmelte ich und kaute auf dem nächsten Speckstreifen herum. „Ein fleischfressender Geist, dessen Lippen und Nase abgefroren sind. – Ach, komm, Saul?!“
    „Julian, wenn du nicht gleich aufhörst, die Angelegenheit ins Lächerliche zu ziehen, nehme ich dir dein Essen weg und zerre dich auf die Kampfmatte. Und dann wirst du außerdem das verfluchte Blut aus den verfluchten Laken waschen. Ich meine, sieh dir nur mal deinen Mantel an! Das hier ist wirklich nicht zum Lachen.“ Ruhig, schneidend, kühl. Noch nie hatte Saul so mit mir gesprochen. „Außerdem liegst du falsch – ein Wendigo ist ein Geist, der durch Vernachlässigung und Gewalt in den Wahnsinn getrieben wurde. Ein Geist, der mit einem Tabu gebrochen und Menschenfleisch gekostet hat – und einen unstillbaren Hunger darauf entwickelt.“
    Jemand, der auf Menschenfleisch und Organe vom Schwarzmarkt steht. Irgendwie gefällt mir gar nicht, wie hübsch das alles zusammenpasst. Die tödliche Eiseskälte fiel mir wieder ein, die das Monstrum ausstrahlte und die nicht von dieser Welt zu sein schien. Ich fing an zu bibbern. „Also ein Wer-Geist? Aber das Ding war kein Wer, das hätte ich bemerkt.“
    „Es ist ja auch kein Werwesen, sondern eben ein Geist. Das sind zwei Paar Schuhe.“ Saul verschränkte die Arme vor der Brust. „Einige der alten Legenden behaupten, dass Wendigos tote Werwesen sein könnten, die die Bestattungsriten nicht erhalten haben, oder Werwesen, die während ihres Lebens als Tabubrecher galten. Keine Ahnung. Die Legenden widersprechen sich oft selbst. Es ist anders als zum Beispiel Scurf zu jagen. Werwesen kennen die Scurf. Aber diese Wendigo-Monster … möglich, dass Menschen diese Kreaturen leicht mit uns verwechseln – aber was sie auch sein mögen, sie sind ganz bestimmt keine Wer.“
    „Herr im Himmel.“ Das bereitete mir Kopfzerbrechen. Was wir als Allerletztes gebrauchen konnten, waren Gerüchte, dass die Werwesen irgendetwas mit diesem Vieh zu tun hatten. Dieses Ding war so wenig ein Wer wie … Mein Hirn ließ mich im Stich, mir fiel einfach kein passender Vergleich ein. Jemand, der kein Jäger war, selbst wenn er gewisse Erfahrungen mit der Schattenseite hätte, würde das nie begreifen. Zum Teufel, auch jede Menge Nachtschatten, die einen Groll gegen das Fellvolk hegten, würden es nicht verstehen! Oder verstehen wollen …
    Endlich meldete sich Perry zu Wort, als könne er sich nicht länger zurückhalten. „Im Ernst, liebe Kiss, du solltest auf Fellknäuelchen hier hören. Er kennt sich besser aus, als du denkst. Schließlich ist er nicht ins Barrio gegangen, um nach Hinweisen zu suchen. Er wollte, dass jemand seinen Verdacht bestätigt.“
    Auf halbem Weg zum Mund verharrte meine Gabel plötzlich mitten in der Luft, und ich blickte Saul an. Sein Mund verzog sich verbittert nach unten, und mit einer Hand fuhr er sich durch die Haare, während seine andere noch immer auf der Theke lag. Die Knöchel waren ganz weiß.
    Was, dachte Saul etwa, mit dieser durchsichtigen Masche würde Perry so ohne Weiteres durchkommen? Was glaubte er, wie tief sich der Höllenwurm schon in mein Hirn gefressen hatte und mich manipulierte?
    Egal, was Saul dachte, wahrscheinlich hatte es Perikles sogar schon weiter geschafft. Neulich Nacht hatte er es ja zur Genüge bewiesen, oder nicht? „Du hast es schon vermutet?“ Mit der schwebenden Gabel vor mir kam ich mir ziemlich albern vor, also legte ich sie langsam und behutsam auf die kobaltblaue Theke. „Saul?“
    „Ich wusste es nicht definitiv.“ Wieder griff er nach seinem Saft, nippte daran und sah mir dabei die ganze Zeit über in die Augen. Aber ich hatte den

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