Schattenjahre (German Edition)
mochte Robert. Andererseits empfand er eine gewisse Abneigung gegen den Stiefvater, der nun so intim mit der Mutter war. Es missfiel ihm, wie ihr Gesicht strahlte, wann immer sie ihren Mann sah. Sicher, Daniel fand seine Eifersucht unvernünftig, konnte sie aber nicht unterdrücken.
Den ersten Sommer nach Moms Hochzeit verbrachte er bei der Großmutter. Die Zwillinge studierten mittlerweile Medizin in St. Andrews, aber in den Ferien kamen sie nach Hause, und diesmal gingen die drei in Aberystwyth viel zielstrebiger auf Mädchenjagd als im Vorjahr. Daniel stellte sich jetzt nicht mehr so ungeschickt an, dank gewisser Dinge, die er von einer Klosterschülerin gelernt hatte.
Er war jetzt siebzehn, und Robert hatte ihm ein kleines Auto geschenkt. Einen Teil seines selbst verdienten Geldes verwendete er für Fahrstunden.
Gareth und Sarah nahmen ihre zwei Söhne und ihren Neffen in die Bretagne mit, wo sie sich für drei Wochen auf einem Campingplatz niederließen. Dort entdeckte Daniel den Reiz junger Französinnen. Körperlich war er sehr schnell herangereift, aber im Gegensatz zu den Zwillingen wusste er noch immer nicht, was er nach dem Schulabschluss tun sollte. Vielleicht würde er Betriebswirtschaft studieren.
Der Stiefvater hatte ihm eine Stellung in der Baufirma angeboten, die nach wie vor florierte und ständig expandierte. Aber Daniel wollte unabhängig sein. Außerdem erinnerte ihn die Bauindustrie zu sehr an seinen aggressiven, gewalttätigen Vater.
Zwei Tage vor Schulbeginn traf er wieder in Cardiff ein. Die Zwillinge hatten beschlossen, früher nach St. Andrews zurückzukehren, um an einer Party anlässlich des Semesteranfangs teilzunehmen.
Mit seinem eigenen Schlüssel sperrte er die Haustür auf. Den hatte Robert ihm sofort nach dem Einzug gegeben. Mom liebte ihr neues Heim mit der herrlichen Aussicht auf die Küste. Am Ende des neunzehnten Jahrhunderts war es von einem Eisenbahnmagnaten erbaut worden, mit großen, sonnigen Räumen. An schönen Tagen arbeitete die Mutter im ausgedehnten Garten.
Statt selber sauber zu machen, beschäftigte sie eine Putzfrau. Zweimal pro Woche kam ein Gärtner, mähte den Rasen und jätete das Unkraut. Mom wirkte glücklicher denn je, und trotzdem las Daniel manchmal eine Trauer in ihren Augen, eine Unsicherheit, die ihm Kummer bereitete.
Was Robert betraf, hegte er immer noch gewisse Bedenken. Eine Barriere aus Unbehagen und Verlegenheit stand zwischen ihnen, die Daniel sorgsam aufrechterhielt. Natürlich mochte er den Stiefvater. Und dass er ihn dem leiblichen Vater vorzog, lastete oft schwer auf seiner Seele.
Die Eingangshalle roch nach Rosen, auf einem Tisch stand eine große Vase, bei deren Anblick er lächelte. Seine Mutter hatte ihm gestanden, genug Geld zu besitzen und frische Blumen kaufen zu können – das sei für sie der Inbegriff von Luxus.
Er stellte den Koffer in der Halle ab und lief nach oben, um zu duschen und sich umzuziehen. Als er an Moms Schlafzimmer vorbeikam, vernahm er ein Geräusch und blieb stehen.
Die Stimme der Mutter leise und atemlos – dann unverständliche Worte von Robert – Moms Schrei, gepresst und schmerzlich …
Ohne zu überlegen, stieß Daniel die Tür auf und stürmte ins Zimmer, nur von einem einzigen Gedanken beherrscht – Robert tat seiner Mutter weh, so wie damals sein Vater …
Sie lagen im Bett. Roberts nackte, schlanke Gestalt war tief gebräunt, abgesehen von den helleren Hinterbacken. Er wandte den Kopf zur Tür, schirmte Mom mit seinem Körper ab, und sofort erkannte Daniel, was hier geschah.
Robert tat Mom nicht weh, die beiden liebten sich, und jener Schrei … Inzwischen hatte Daniel genug sexuelle Erfahrungen gesammelt, um zu wissen, dass ein heftiges Lustgefühl manchmal an Schmerz grenzte. Seine Wangen brannten vor Scham. Er hörte sich eine Entschuldigung stammeln und verließ hastig das Zimmer.
Seine Mutter und Robert … Natürlich hatte er es gewusst, aber entschlossen verdrängt und sich eingeredet, die Ehe basiere nur auf einer tiefen Freundschaft. Obwohl der Stiefvater stets betonte, wie sehr er Megan liebe …
In seinem eigenen Schlafzimmer merkte Daniel, dass er zitterte. Er fühlte sich elend und irgendwie betrogen. Ein beklemmender Konflikt tobte in ihm. Einerseits quälte ihn das Wissen um Moms Sexualität, andererseits hatte er ein schlechtes Gewissen wegen seiner dummen Eifersucht.
Unfähig, den beiden gegenüberzutreten, ging er aus, verbrachte den Rest des Tages und einen Teil der
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