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Schattenjahre (German Edition)

Schattenjahre (German Edition)

Titel: Schattenjahre (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Penny Jordan
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Lider waren gerötet, vielleicht vom Schlafmangel. Ihre Augen richteten sich auf ihn, glanzlos, ohneKampfgeist, ohne Hoffnung – ohne irgendetwas.
    „Sage.“ Als er ihren Namen nannte, reagierte sie zunächst nicht, und er fragte sich, ob der Kummer vielleicht zu einer geistigen Störung geführt hatte.
    Doch dann erwiderte sie: „Daniel … Was tust du hier?“ Sie sprach apathisch, tonlos, wie unter Drogeneinfluss.
    „Eine Krankenschwester hat mich angerufen. Man macht sich Sorgen um dich. Sage, das muss aufhören …“ Ärgerlich überlegte er, wo ihre Verwandten sein mochten, ihre Freunde. Wussten sie, was mit ihr geschah? Irgendjemand musste doch informiert sein. Warum half ihr niemand? Oder war es ihnen einfach egal?
    Daniel wartete auf einen Wutausbruch, wappnete sich gegen einen verbalen und tätlichen Angriff. Doch sie saß stumm da, mit leerem, gleichgültigem Blick, bis er erklärte: „Mr McLaren hat nachgegeben. Du darfst für fünf Minuten zu Scott und dich von ihm verabschieden. Aber ich muss mitkommen. Und – Sage …“
    Sie hörte nicht mehr zu, stand auf, taumelte zur Tür. Das Gesicht, von plötzlichem Glück verwandelt, strahlte fast beängstigend. Daniel hielt ihren Arm fest und zuckte bestürzt zusammen, als er die zarten Knochen spürte. „Keine Szenen, Sage!“, warnte er. „Scott ist sehr krank. Er liegt immer noch im Koma und wird dich nicht erkennen. Morgen fliegt sein Vater mit ihm nach Australien. Weißt du das?“
    Langsam nickte sie und schlang die Finger ineinander. „Das macht keinen Unterschied. Ich liebe ihn, und er liebt mich. Niemand kann etwas daran ändern. Sobald er gesund ist, wird er zu mir zurückkommen …“
    Scott lag in einem Privatzimmer, von einer Schwester bewacht. Diskret trat sie beiseite, als Daniel mit seiner Begleiterin hereinkam.
    Beim Anblick des bewusstlosen Patienten erschrak Sage. Scott war an mehrere medizinische Apparate angeschlossen. In einer Ecke ertönten leise Worte aus einem Kassettenrekorder, und die Schwester erklärte: „Wir spielen ihm ein Band vor, das sein Vater besprochen hat. Deshalb trägt er diese Kopfhörer.“
    Daniel wandte sich zu Sage und erinnerte sie: „Mr McLaren sagte, du kannst fünf Minuten hierbleiben.“
    Aber sie beachtete ihn nicht, beugte sich über Scott, berührte vorsichtig seinen Arm. Ihr Gesicht spiegelte eine Mischung aus Kummer und fast mütterlicher Liebe wider. „Wie geht es ihm?“, fragte sie die Schwester, ohne ihn aus den Augen zu lassen.
    „Immer noch schlecht.“
    „Wird er – wieder gesund?“
    „Es ist noch zu früh für eine Diagnose. Er ist jung und in guter körperlicher Verfassung. Wir hatten Patienten, die viel schwerere Verletzungen erlitten hatten und trotzdem bemerkenswerte Fortschritte machten.“
    Ein Stuhl stand neben dem Bett. Daniel rückte ihn zurecht und bedeutete Sage, Platz zu nehmen. Sie folgte der Aufforderung, und er sah, wie heftig sie zitterte. Unsicher streckte sie eine Hand aus und strich über die ohnehin makellos glatte Decke. Warum diese ungeschickte, zärtliche kleine Geste ihn anrührte und ihm die Kehle zuschnürte, wusste er nicht. Er wollte sie in die Arme nehmen, ihr Liebe und Sicherheit schenken. Wie sehr sie sich danach sehnte, erkannte er instinktiv, denn er spürte in ihr die gleichen Zweifel, die gleiche Verwundbarkeit, die gleiche Einsamkeit, die auch ihn so oft gequält hatten.
    Aber warum empfand er so viel für sie? Welten trennten sie von ihm. Ihr Leben war ganz anders verlaufen als seines. In ihrer Vergangenheit hatte es keine John Ryans gegeben, keine groben Vettern, keine Bosheiten, nicht das Gefühl, nirgendwohin zu gehören, anders zu sein.
    Und doch konnte er seine Gedanken nicht daran hindern, sich auf Sage zu konzentrieren. Ihr Kopf war gesenkt, das geteilte Haar entblößte den verletzlichen Nacken, die zarte weiße Haut. Viel zu deutlich traten die Knochen der Wirbelsäule hervor. Die überschäumende Vitalität, die ihre Schönheit noch hervorgehoben hatte, war verflogen. Seltsamerweise fand Daniel sie trotzdem genauso begehrenswert wie zuvor, auch wenn sein Verlangen jetzt von Mitleid und Sorge gedämpft wurde. Wenn er sie liebte, würde er ganz sanft und behutsam mit ihr umgehen, nicht mit jener wilden Leidenschaft, die vorher in ihm gebrannt hatte.
    Sie weinte, er sah lautlose Tränen auf ihre Hände fallen. Die Schwester räusperte sichmahnend und warf einen vielsagenden Blick zur Wanduhr. Daniel berührte Sage an der

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