Schattenjahre (German Edition)
war nie allein mit ihm, und zu ihrem Ärger schien Scott die Situation zu genießen. Bereitwillig beantwortete er Liz’ Fragen nach seinem Leben in Australien.
„Kommen Sie doch mal mit Sage hin, und schauen Sie sich die Schafranch an“, schlug er vor. „Ich gebe Ihnen die Adresse und die Telefonnummer.“
Verächtlich und herausfordernd wandte Sage ein: „Das Letzte, was Mutter sehen will, ist eine Schafranch in der australischen Wildnis.“ Sie war ganz einfach neidisch auf Liz, der es so mühelos gelang, Scott zu faszinieren. Und sie hätte schwören können, dass die Mutter ihn mochte.
Trotzdem war sie es, die Kontakt mit seinem Vater aufnahm und den Stein ins Rollen brächte. Dadurch kam es zu den Ereignissen, die Scott von ihrer Tochter trennen sollten.
Sage hasste ihre Mutter, als sie die Wahrheit erfuhr. Liz telefonierte mit Mr McLaren und erklärte ihm, zwischen ihren beiden Kindern würde sich eine Beziehung entwickeln, die er sicher ebenso wenig gutheißen könne wie sie.
In der Annahme, die Mutter hätte sich nur eingemischt, weil ihr eine andere Partie für die Tochter vorschwebte, beschloss Sage, niemals einen Mann zu heiraten, den Liz aussuchte. Sie machte ihr erbitterte Vorwürfe, aber die Mutter vertrat entschieden ihren Standpunkt. „Ich habe es nur zu deinem Besten getan. Scott ist nicht der richtige Mann für dich.“
„Ich bin eine Frau, kein Kind mehr. Und ich liebe ihn.“
„Ja, jetzt liebst du ihn, oder du bildest es dir zumindest ein.“ Liz war blass geworden und sah ungewöhnlich nervös aus. „Aber er passt nicht zu dir. Diese Ehe würde dich nur unglücklich machen und dich sogar vernichten“, fügte sie grausam hinzu. „Willst du das? Er braucht eine sanftmütigere, ruhigere Frau …“
„Wie kannst du wissen, was er braucht? Du kennst ihn kaum.“
„Und du kennst ihn? Sage, du siehst immer nur, was du sehen willst. Du müsstest einen stärkeren Mann haben, um glücklich zu werden.“
„Einen, der mich unter Kontrolle hätte? Das meinst du doch? Was du getan hast, werde ich dir nie verzeihen. Niemals! Und wenn du glaubst, ich würde diesen ach so begehrenswerten Jonathan heiraten …“
Da lachte Liz und brachte Sage noch mehr in Wut. „Wenn du Jonathan überreden könntest, dich zu heiraten, wärst du zu beneiden. Aber ich fürchte, dafür ist er zu vernünftig. Er wird eine pflichtbewusste, fügsame Frau finden, die sich von seiner Mutter herumkommandieren lässt. Armes Mädchen …“
Sage glaubte ihr nicht. Sie kannte Liz und deren Ränke. Wenigstens dachte sie das.
Die Mutter war wieder im Ausland, als Scott den Unfall erlitt. Offenbar mochte sie ihn trotz allem, denn sie fragte bei ihrer Rückkehr, wie es passiert sei und wie es um seine Genesungschancen stehe.
„Ruf doch seinen Vater an!“, forderte Sage sie verbittert heraus. „So wie du es damals getan hast, um Scott und mich auseinanderzubringen, um seinem Vater zu sagen, er soll ihn nach Hause holen! Wie hast du das eigentlich geschafft? Mit deinem berühmten Charme? Oder hast du einfach erklärt, der Sohn eines Schafzüchters sei nicht gut genug für eine Danvers?“
„Mach dich nicht lächerlich“, erwiderte Liz kühl und weigerte sich, über das Thema zu diskutieren.
Aber nachdem Scott nach Australien zurückgekehrt war und Sage die Kraft verloren hatte, irgendetwas anderes zu tun, als sich in ihrer Studentenbude unter der Bettdecke zu verkriechen und voller Sehnsucht an den Geliebten zu denken, ohne zu essen, ohne zu schlafen – da kümmerte sich Liz um sie. Von Daniel alarmiert, fuhr sie nach Alcester und nahm die Tochter nach Cottingdean mit. Dort blieb Sage, bis der Stolz ihr verbot, vor ihrer Freundin noch länger Schwäche zu zeigen. Sie nahm ihr Leben wieder in die eigene Hand und setzte eine Maske auf, hinter der sie ihren Herzenskummer verbarg.
Eifrig konzentrierte sie sich auf ihr Studium, fest entschlossen, sich nie wieder verletzen zu lassen, von niemandem – nie wieder jemanden so sehr zu lieben, dass er ihr wehtun konnte. Sie wollte ihren Magister der freien Künste machen und von der Mutter unabhängig werden, diese Frau aus ihrem Leben verbannen. Nie wieder sollte Liz sich einmischen, so wie damals, als sie das Liebesglück der Tochter zerstört hatte. Daniel hatte Alcester inzwischen verlassen, und Sage war erleichtert, weil sie ihn nicht mehr zu sehen brauchte.
Die Erinnerung an die letzte Konfrontation mit ihm verdrängte sie. Jeder weitere Kontakt hätte die kaum
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