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Schattenjahre (German Edition)

Schattenjahre (German Edition)

Titel: Schattenjahre (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Penny Jordan
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Schwägerin, die sie nicht verdammen würde, die nichts schockieren konnte – oder doch? Grimmig lächelte Faye vor sich hin, fast unfähig zu fassen, was sie getan hatte.
    „Meine Mutter ist tot.“ Diesmal sprach sie es emotionslos aus, nur müde, lauschte den Worten nach und fand bestätigt, was sie bereits vermutet hatte. Sie bedeuteten nichts. Der Tod ihrer Mutter brachte keine Freude, keine Erleichterung mit sich, nur ein riesiges melancholisches Meer voller Mitleid, nicht mit sich selbst, sondern mit der Mutter, die auf ihre Weise genauso viel durchgemacht hatte wie die Tochter, vielleicht noch mehr.
    „Wenn du lieber nicht darüber redest … Ich habe Cam gesagt, sie soll Jenny bitten, Tee zu machen.“
    „Nein.“ Faye berührte Sages Arm. „Ich will darüber reden – ich muss.“ Und sie begann zu sprechen, zunächst zögernd, suchte nach den passenden Worten für die harte Realität. Die Tragödie zu beschönigen – das war das Letzte, was sie anstrebte.
    Ihr schonungsloser Bericht entsetzte Sage. Und die krasse Ausdrucksweise, die Faye wählte, ließ alles noch grauenhafter erscheinen.
    Sie wurden unterbrochen, als Camilla das Zimmer betrat, um den Tee zu bringen. Sage nahm ihr das Tablett ab und versicherte, Faye sei nicht mehr hysterisch. Ein wenig neidisch beobachtete sie, wie Mutter und Tochter sich umarmten. Dann sagte Faye energisch: „Jetzt solltest du deine Hausaufgaben machen. Du weißt doch, die Prüfungen …“
    „Hausaufgaben! Prüfungen! Allmählich habe ich das alles satt!“, protestierte Camilla, aber Sage merkte ihr an, wie erleichtert sie war, weil die Mutter sich wieder ruhig und vernünftig verhielt.
    In der Tür zögerte das Mädchen, doch Faye hob gebieterisch eine Hand. „Die Hausaufgaben, Cam! Immerhin werden wir nach Liz’ Operation viel Zeit im Krankenhaus verbringen.“
    „Glaubst du, Gran ist bald wieder okay?“
    „Das wissen wir nicht, Cam. Nur eins wissen wir – sie ist sehr stark und in den besten Händen.“
    Sage fand es richtig, dass Faye ihre Tochter nicht in falschen Hoffnungen wiegte und sie wie eine Erwachsene behandelte, ohne sie mit der Realität von Liz’ Überlebenschancen zu belasten.
    Nachdem Camilla widerstrebend die Tür hinter sich geschlossen hatte, schwiegen die beiden Frauen eine Zeit lang. Mechanisch schenkte Sage den Tee ein und reichte Faye, die plötzlich leise lachte, eine Tasse.
    „Was hast du?“, fragte Sage bestürzt und fürchtete einen neuen hysterischen Anfall.
    „Nichts. Du erinnerst mich nur gerade an Liz – weil du den Tee eingegossen hast, ohne einen einzigen Tropfen zu verschütten.“
    Sage starrte die jungfräulich weiße Serviette an, die auf dem Tablett lag. Sie runzelte die Stirn, während sie nach den vertrauten Flecken suchte, den normalen Resultaten ihrer Bemühungen, die schwere antike Silberkanne zu handhaben, auf deren Benutzung ihre Mutter bei jedem Nachmittagstee beharrte. „Tatsächlich …“ Nun lachte sie auch, aber ihre Augen wurden sofort wieder ernst, und Faye erriet ihre Gedanken.
    „Nicht!“, tadelte sie leise und drückte Sages Hand. „Das ist kein böses Omen, kein Zeichen, dass es Liz schlechter geht – dass du ihre Nachfolge antreten musst. Alles wird gut – ich weiß es einfach. Frag mich nicht, warum. Es muss Intuition sein …“ Sie errötete und fuhr etwas unbehaglich fort: „Sicher klingt es seltsam, aber heute fühlte ich mich David sehr nahe. Fast so, als wäre er hier, aber in einem anderen Zimmer. Verstehst du das? Heute Morgen, während ich bei Mutter war, spürte ich es besonders stark, und nachher auch.“
    „Vermisst du ihn immer noch sehr?“
    „Du etwa nicht? Er war ein einzigartiger Mensch.“
    „O ja“, stimmte Sage zu. Vieles, was ihr früher an der Beziehung zwischen ihrem Bruder und ihrer Schwägerin rätselhaft gewesen war, begriff sie nun. Sie hatte geglaubt, in tiefster Verzweiflung zu versinken. Aber ihr Leid war bedeutungslos gewesen, verglichen mit all dem, was Faye durchgemacht hatte.
    Sie sprachen noch sehr lange. Faye verschwieg nichts. Zitternd schlang sie die Finger ineinander, während sie schilderte, welch heftigen Groll sie gegen ihre Mutter gehegt hatte, wie schrecklich die Besuche im Heim gewesen waren.
    „Warum bist du hingegangen?“, fragte Sage. „Ich an deiner Stelle …“
    „Ich musste es tun. Es war ein Zwang, ein Pakt, den ich mit den Göttern geschlossen hatte – wenn man’s so ausdrücken will. Genau kann ich’s nicht erklären.

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