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Schattenjahre (German Edition)

Schattenjahre (German Edition)

Titel: Schattenjahre (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Penny Jordan
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„Gott sei Dank! Ich bin okay, es war nur der erste Schrecken … So lange habe ich auf ihren Tod gewartet, aber irgendwie nie geglaubt, dass sie eines Tages wirklich sterben würde – dass es so furchtbar wäre.“ Sie schien durch Sage hindurchzublicken, in die Ferne, als würden sich jenseits der Zimmerwände mysteriöse Ereignisse abspielen.
    „Bildest du dir ein, du kennst das Gefühl, die eigene Mutter zu hassen?“, fragte Sage bitter. „Du hast keine Ahnung. Vermutlich denkst du, sie hätte dein Leben zerstört. Aber das ist gar nichts – im Vergleich zu …“
    „Weißt du, was sie mir angetan hat?“, fiel Faye ihr heftig ins Wort. Ihre Finger umklammerten Sages Handgelenk, schmerzhaft gruben sich die Nägel in die Haut. „Sie erlaubte meinem Stiefvater, mich zu vergewaltigen, mich zu missbrauchen, mich zu vernichten. Und sie stand untätig daneben …“
    Sage brachte kein Wort hervor und war nur zu einem einzigen Gedanken fähig – ein Glück, dass ich Camilla hinuntergeschickt habe.
    „Nun bist du schockiert. Was ich da behaupte, widert dich an, und du fragst dich, ob ich lüge und übertreibe – oder ob ich ihn ermutigt habe, ob ich es selber wollte …“
    „Nein, Faye, ich glaube dir“, versicherte Sage.
    Und sie glaubte es tatsächlich. Es kam ihr so vor, als hätte sich plötzlich ein Schlüssel im Schloss einer versperrten Tür herumgedreht, um sie einem so grässlichen Anblick auszuliefern, dass sie wie Pandora wünschte, sie hätte die Büchse nie geöffnet. Zu spät. Offenbar brauchte Faye diese Selbstbefreiung, musste sich alles von der Seele reden.
    Und weil es keinen anderen Menschen gab, dem sie ihr Herz ausschütten konnte, blieb Sage nichts anderes übrig, als zuzuhören. Ihre Stimme klang so sanft wie die ihrer Mutter, doch das wurde ihr nicht bewusst. „Erzähl mir alles, von Anfang an.“

21. KAPITEL
    Faye holte tief Atem. Seit man ihr am Morgen telefonisch mitgeteilt hatte, die Mutter liege im Sterben, kämpfte sie gegen ihre Gefühle. Es waren nicht die Emotionen eines Kindes, nicht einmal eines erwachsenen Kindes, dem der Verlust seiner Mutter drohte, sondern hässliche Empfindungen, vor denen sie zurückschreckte – Zorn, Ärger, Erleichterung, Empörung, weil sie das alles durchmachen musste. Weil sie von ihrem Gewissen gequält wurde, das ihr sagte, sie habe trotz allem die Pflicht, ihre Mutter zu lieben …
    Wie oft war sie nachts erwacht, zitternd und schwitzend, hatte sich gegen diesen übermächtigen Albtraum gewehrt? Immer der gleiche Traum – das langsame Öffnen der Schlafzimmertür, der verschwommene und doch so schrecklich vertraute Schatten, der sich ihrem Bett näherte und sie anlächelte – das verhasste, grausige Lächeln eines Peinigers, der es genoss, sie zu erniedrigen und leiden zu sehen. Schreiend hatte sie zu fliehen versucht, doch die Tür war stets verschlossen gewesen, nicht von ihm, sondern von der Mutter.
    Wie oft hatte sie David mit diesem Albtraum geweckt und Trost in seinen warmen, zärtlichen Armen gefunden? In gewisser Weise ersetzte er ihr Mutter und Vater, denn sie hatte niemals richtige Eltern gekannt. David, ihr Beschützer, umgab sie mit jener tiefen, geschlechtslosen Liebe, die sie von ihrer Mutter ersehnt, aber nie bekommen hatte. Die mangelnde Leidenschaft dieser Ehe war ihr gemeinsames Geheimnis, das Faye nicht einmal mit Liz teilte. Er liebte sie, das beteuerte er immer wieder, und sie glaubte ihm. Doch die Begierde anderer Männer kannte er nicht. Er erklärte, irgendwie sei dieses Element bei seiner Erschaffung vergessen worden.
    Keiner von beiden sah einen Mangel darin. Faye war glücklich mit David und er mit ihr. Sie schenkte ihm ein Kind, wollte noch andere gebären, doch das Schicksal ließ es nicht zu.
    Vor der Hochzeit hatte er betont, er wünsche sich Kinder. Für ihn sei die Vaterschaft sehr wichtig, viel wichtiger als Sex. Durch einen glücklichen Zufall waren sie einander begegnet. Doch dann hatte sie ihn verloren. Eine weitere Strafe …
    „Faye?“
    Sie schaute kurz in Sages Gesicht und registrierte geistesabwesend, dass sich die Schwägerin in diesen letzten Tagen auf unerklärbare Weise verändert hatte. Die starre, harte Maske war verschwunden, die Züge wirkten jünger, verletzlicher.
    Früher hatte sie immer Abstand zu Sage gewahrt und gedacht, eine so offensichtlich sexuell orientierte und erfahrene Frau würde sie mitsamt ihren dunklen Ängsten nie verstehen. Und jetzt sah sie eine Vertraute in der

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