Schattenjahre (German Edition)
Protest nicht aus, der ihr auf der Zunge brannte, denn sie hielt diesen Zeitpunkt für ungeeignet, um den Vater ihres ungeborenen Kindes zu verteidigen. Edward benahm sich wie ein Mann, der plötzlich von der Untreue seiner Geliebten erfahren hatte, war keiner Logik zugänglich, akzeptierte nichts außer der Vermutung, dass der Verfall des Hauses schon lange, bevor sein Vetter es geerbt hatte, eingesetzt haben musste. „Wir können nicht hierbleiben“, meinte er.
„Das müssen wir wohl“, erwiderte sie sanft. „Zumindest heute Nacht. Wenn ich Brennholz finde, mache ich Feuer im Herd. Vielleicht gibt’s oben ein paar Matratzen. Das wäre möglich. Immerhin wollte man hier Soldaten stationieren. Wenn wir sie vor dem Herd auslüften …“
„Du willst hier schlafen?“ Er starrte in ihre Augen, als zweifelte er an ihrem Verstand. „Ausgeschlossen!“
Allmählich verließ sie die Geduld. „Wir haben keine Wahl“, entgegnete sie energisch. „Verstehst du denn nicht? Ich kann den Rollstuhl unmöglich ins Dorf zurückschieben. Wer weiß, wann wieder ein Zug geht. Und wohin sollten wir fahren? Nach Bath? Was würden wir dort machen? Du sagtest, du hättest nicht viel Geld, wir müssten sparen, unser Gemüse und Getreide selbst anbauen, Schafe züchten.“ Bei diesen Worten schwebte ihr ein Leben vor, wie es ihre Tante führte – Milch von einer Jersey-Kuh, frisches Gemüse, saftiges Obst, Eier von eigenen Hennen. Doch dann erinnerte sie sich an die Wildnis zu beiden Seiten des Wegs und dachte bitter, dass es sehr lange dauern würde, einen Gemüsegarten anzulegen, die Felder zu bestellen.
„Ich wusste nicht, wie es hier aussehen würde“, flüsterte Edward. In seiner Erschöpfung undNiedergeschlagenheit glich er wieder einem Kind, einem sehr alten, gebrechlichen Kind.
Um ihre eigene Verzweiflung zu überspielen, sagte Lizzie betont munter: „Du wartest hier. Ich suche Brennholz. Und wenn wir Feuer im Herd machen …“
„Wir!“ Er lachte freudlos. „Wir!“ Doch sie hörte nicht mehr zu und eilte durch die Hintertür in den Hof.
Die Nebengebäude befanden sich in einem ähnlichen Zustand wie das Haupthaus, und sie konnte nicht hoffen, Brennholz zu finden. Offenbar hatte irgendjemand einen Teil der Wandtäfelung verheizt, also würde es keinen Holzvorrat geben. Trotzdem durchstöberte sie methodisch ein paar kleine, dunkle Schuppen. Im leeren Stall roch es immer noch nach Heu, Pferdemist und Leder. Eine große Plane verdeckte irgendetwas in einer Ecke. Lizzie hob sie nur aus reiner Neugier hoch. Darunter stapelten sich zahlreiche Holzscheite, und es kam ihr so vor, als hätte sie einen Goldschatz aufgespürt. Zunächst glaubte sie an eine Halluzination und blinzelte mehrmals. Aber das Brennholz verschwand nicht, und sie packte rasch ein paar Scheite in einen Eisenblecheimer.
Als sie mit ihrer schweren Last in die Küche taumelte, hob Edward kaum den Kopf. Seine Haut war aschfahl, und er rieb sich die Hände so wie immer, wenn ihn etwas bedrückte. Diese Gewohnheit hatte sie im Krankenhaus auch bei anderen Patienten beobachtet. Dies war kein gutes Zeichen. Sie sprach mit ihm, versuchte ihn aufzuheitern. Aber wann immer er ihren Blick erwiderte, schien er durch sie hindurchzuschauen.
Lizzie bat ihn um seine Streichhölzer, und er starrte sie verständnislos an. Vorsichtig zog sie das Schächtelchen aus seiner Tasche. Sie hatte kein Papier, um ein Feuer zu entzünden, und keine Axt, um die Scheite zu zerkleinern. Und so beschloss sie, den Verdunkelungsvorhang am Küchenfenster zu verwenden. Dann öffnete sie die Herdklappe. Wer immer hier zuletzt Feuer gemacht hatte, es war ihm zu mühsam gewesen, die Asche zu entfernen. Wenigstens schien der Herd noch zu funktionieren. Sie hatte schon befürchtet, der Schornstein könnte verstopft sein.
Sie musste auf den Rand des Spülbeckens klettern, um den Vorhang abzunehmen. Verwirrt schaute Edward ihr zu, und sie lächelte ihn beruhigend an, sagte aber nichts. Sie musste ihm Zeit lassen, damit er die Realität von Cottingdean akzeptieren lernte. Seltsam – jetzt, wo es etwas zu tun gab, fühlte sie sich nicht mehr so hilflos und verängstigt. Die schlichte Aufgabe, ein Feuer zu machen, wies sie irgendwie auf ihr Recht hin, ihr Leben zu kontrollieren. Und während sie wartete, bis die ersten Flammen aus dem glücklicherweise trockenen Holz züngelten, überlegte sie, dass sie ihr Geschick tatsächlich zum ersten Mal fast allein bestimmte. Keine Tante, keine
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