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Schattenjahre (German Edition)

Schattenjahre (German Edition)

Titel: Schattenjahre (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Penny Jordan
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erinnerte, sah aber nur ein formidables, abweisendes, riesiges Gebäude vor sich, ähnlich den Häusern, die ihre Tante nur durch die Hintertür betreten hatte. Und sie selbst würde nun die Herrin von Cottingdean sein. Dieser Gedanke ließ sie frösteln. Und als der Zug in der kleinen Station hielt, war Lizzie müde und nervös. Bald stand sie auf dem Bahnsteig, allein mit Edward, und ihr Magen verkrampfte sich.
    Edward hatte dem älteren Ehepaar, das sich um das Haus kümmerte, seine Ankunft mit Lizzie telegrafisch mitgeteilt. Aber vor dem Bahnhof wartete kein Taxi.
    Schließlich ging Lizzie in das schäbige Bahnhofsbüro und wandte sich an den Beamten, einen älteren Mann, der verständnislos die Stirn runzelte, als sie ihr Anliegen vorbrachte. „Hier gibt’s kein Taxi, Missie. Wenn die Leute irgendwohin wollen, benutzen sie die Kutsche vom alten John Davies – oder die eigenen Beine“, fügte er hinzu. „Der Einzige, der hier ein Auto hat, ist der Doktor. Und der hat gerade auf Millers Farm zu tun, wo Maisie Miller ihr fünftes Kind kriegt.“
    Lizzie kehrte zu Edward zurück, um zu berichten, was sie erfahren hatte. Sie erschrak über seine aschgrauen Wangen. Kein Wunder, dass das Mädchen im Zug ihn für älter gehalten hatte … Jetzt wo sie ihn fern von der vertrauten Umgebung des Krankenhauses sah, fiel ihr erst so richtig auf, wie gebrechlich er wirkte, und das beunruhigte sie. In der Klinik war ihr seineSchwäche selbstverständlich erschienen. Aber nun verglich sie ihn mit anderen Männern, mit den amerikanischen Soldaten, sogar mit dem älteren Bahnbeamten, dessen wettergegerbte Haut kerngesunde Röte zeigte. Zum ersten Mal wurde ihr voll und ganz bewusst, wie krank Edward war. „Wie weit ist es bis Cottingdean?“, fragte sie ihn.
    „Etwa zwei Meilen.“
    „Oh, dann werden wir’s schon schaffen.“ Sie versuchte zu verbergen, wie entmutigt sie sich fühlte, wie verängstigt und einsam. Plötzlich erkannte sie, dass sie nicht nur für Kits Baby die Verantwortung trug, sondern auch für Edward. Sie war seine Frau, er ihr Mann. Eigentlich müsste er sie beschützen, nicht umgekehrt.
    Er protestierte, aber sie merkte ihm an, wie müde er war, wie sehr er sich nach seinem Heim sehnte. Sicher würde der Fußmarsch nicht so lange dauern wie die Suche nach einem Fahrzeug. Und sie hatte den Rollstuhl schon oft über weite Strecken durch den Krankenhauspark geschoben. Doch da war sie nicht schwanger gewesen, noch nicht Edwards Frau, noch nicht so hilflos und allein.
    Sie hatten Cottingdean am Spätnachmittag erreicht. Das Dorf war verlassen, die einzige Straße so malerisch, wie Lizzie sich das vorgestellt hatte, mit einer einladenden Aura, verstärkt durch die grüne sommerliche Landschaft. Edward dirigierte sie zu einem Weg, der von der Hauptstraße abzweigte. Zu beiden Seiten schimmerten Mohnblumen im reifen schwankenden Getreide, in dichten Hecken blühten bleiche wilde Rosen. Gras wuchs auf dem Weg, der offenbar nur selten benutzt wurde. Er führte leicht bergauf, und bald geriet Lizzie außer Atem, während sie den schweren Rollstuhl vor sich her schob. Immer wieder musste sie ihn über Steine bugsieren, die sich zwischen Grashalmen versteckten. An die glatten Pfade im Krankenhauspark gewöhnt, fand sie das sehr mühsam. Sie wünschte, sie könnte stehen bleiben und sich ausruhen, ihre Knie zitterten, die Armmuskeln schmerzten. Aber ein seltsamer Zwang verwehrte ihr eine Rast.
    Es kam ihr so vor, als müsste sie einen Kampf in ihrem Innern ausfechten und in Cottingdean eintreffen, ohne dem körperlichen Bedürfnis nach einer Ruhepause nachzugeben. Irgendetwas schien sie zu mahnen, es sei an der Zeit, ihre Verletzlichkeit und Angst abzulegen, ihr Leben und sich selbst unter eiserne Kontrolle zu bringen, so schwer ihr das auch fallen mochte.
    In diese sonderbaren Gedanken versunken, hatte sie aufgehört, die Umgebung zu betrachten. Plötzlich rief Edward aufgeregt: „Schau, Lizzie, da ist Cottingdean!“
    Seine Stimme klang so freudig und stolz, dass Lizzie automatisch über die niedrige Ansammlung von Gebäuden mit den hohen, schiefen Schornsteinen hinwegblickte und instinktiv nach etwas Imposanterem suchte, das zu Edwards enthusiastischen Beschreibungen passen würde. Nur langsam wurde ihr bewusst, dass es da nichts gab außer diesen spitzen Dächern, den Schornsteinen, die jeden Moment zusammenzubrechen drohten. Das also war Edwards geliebtes Cottingdean.
    Später seufzte sie erleichtert, weil er

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