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Schattenjahre (German Edition)

Schattenjahre (German Edition)

Titel: Schattenjahre (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Penny Jordan
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der Realität des verfallenen Hauses konfrontiert würde? Aber wohin sollten sie gehen?
    Erst einen knappen Monat nach der Ankunft nahm sie sich Zeit, die Umgebung außerhalb des Gartens zu erforschen. Eine alte Landkarte, die sie in einem Schrank gefunden hatte, inspirierte sie dazu. Sie zeigte Edward ihre Entdeckung und schlug vor, man könne die Karte über den Kamin in den Raum hängen, den er Bibliothek nannte. Doch dann sah sie den Kummer in seinen Augen und machte sich Vorwürfe, weil sie offensichtlich etwas Falsches gesagt hatte. Wie gefühllos von ihr …
    Gerade die Bibliothek hatte er immer mit besonderer Begeisterung beschrieben. In seinen Erinnerungen war dies ein gemütlicher Raum, von Feuerschein, dem Duft ledergebundener Bücher und Tabakgeruch erfüllt, mit Samtvorhängen an den Fenstern. Der Schreibtisch des Großvaters war eine große Insel aus blank poliertem Holz gewesen. Zu beiden Seiten des Kamins standen Lehnstühle. Wenn man darin saß, konnte man die Füße auf das Kamingitter legen. Die Großmutter stellte immer eine Vase mit frischen Blumen auf den Schreibtisch. Die Erlaubnis, sich in diesem Raum aufzuhalten, war für Edward stets eine Belohnung gewesen.
    Jetzt konnte man den Raum aufgrund dieser Beschreibung nicht wiedererkennen. Die Möbel waren verschwunden, die eingebauten Regale teilweise herausgerissen – ob versehentlich oder mit Absicht, wusste Liz nicht. Die Bücher, deren Duft ihr Mann so geliebt hatte, lagen am Boden verstreut, manche zerfleddert, mit verschimmelten Seiten, von Mäusen angenagt, die das Zimmer anscheinend zu ihrem Lieblingsplatz erkoren hatten.
    Liz bemühte sich, den Raum einigermaßen in Ordnung zu bringen, denn sie spürte, es würde sein Leid mildern, wenn seine Erinnerungen an die Bibliothek und die Wirklichkeit der Gegenwart nicht mehr so krass auseinanderklafften. Kaum ein Tag verging, ohne dass er sich die Schuld an der Situation gab und erklärte, er hätte sie niemals heiraten und mit ihr hierherkommen dürfen. Offenbar hasste er es, sie so hart arbeiten zu sehen, während sie selbst zu ihrer Verblüffung Freude daran fand. Es missfiel ihr keineswegs, die Böden zu schrubben, eifrig in Abfallbergen herumzustöbern, zu verhindern, dass womöglich etwas Wertvolles weggeworfen wurde. Wenn sie einen Gegenstand fand, dessen Zweck sie vergeblich zu enträtseln suchte, verwahrte sie ihn trotzdem, in der Hoffnung, Edward würde vielleicht einmal einen Schatz aus Kindertagen darin wiedererkennen.
    Was mit der Einrichtung des Hauses geschehen war, schien niemand zu wissen. Liz verdächtigte die Johnsons, und Edward ließ sie lieber in diesem Glauben, als ihr seine Vermutung mitzuteilen, Kit müsste alle Wertgegenstände verkauft und den Verfall des Hauses nicht nur zugelassen, sondern sogar gefördert haben.
    Bedrückt entdeckte Edward die Entweihung des kleinen Weinkellers, wo sein Großvater so liebevoll kostbare Tropfen gesammelt hatte. Zerbrochene Flaschen und Gläser am Boden zeugten von wilden Partys, andere Spuren verrieten, dass Kit nicht nur männliche Gäste hierhergebracht hatte, um mit ihnen die edlen Jahrgänge zu trinken.
    Davon erzählte Edward seiner Frau nichts. Er hatte sie schon grausam genug getäuscht und ihr eingeredet, sie würde in ein komfortables Haus ziehen, zusammen mit ihrem Kind umsorgt werden. Stattdessen lag sie nun auf den Knien und schrubbte die Böden. Wie er es hasste, sie dabei zu beobachten und selbst nichts tun zu können … Er war ein konservativer Mann, von zurückhaltenden, förmlichen Eltern erzogen. Nach seiner Ansicht hätte die zarte, zerbrechliche Liz nicht so hart arbeiten dürfen.
    Sie selbst sah das anders. Nachdem sie den anfänglichen Schock überwunden hatte, genoss sie es sogar, sich den Herausforderungen von Haus Cottingdean zu stellen. Und da ihre Schwangerschaft bereits fortgeschritten war, wurde sie mittlerweile von der schwächenden morgendlichen Übelkeit verschont.
    Ian Holmes hatte sie mit einem Farmer bekannt gemacht, der ihr nur widerwillig erlaubte, seine vier Arbeitskräfte für die vorerst nur notdürftige Reparatur des Dachs zu bezahlen. Ebenso widerwillig riet er ihr, sich ein Ziegenpaar anzuschaffen. Das sei gut für den Garten. „Außerdem geben sie gute Milch. Die mag zwar nicht jedermanns Geschmack sein …“
    Liz fand, das wäre fast zu schön, um wahr zu sein. Die Ziegen würden den verwilderten Garten roden, sodass er im nächsten Frühling umgegraben werden konnte, und gleichzeitig

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