Schattenkampf
geriet mehr und mehr in Fahrt. »Schau doch, Abe, die ganze Nolan-Geschichte hatte Allstrong bereits vom Tisch und endgültig abgehakt. Alle Welt glaubte, es wäre Evan Scholler gewesen, der die Khalils aus seinen eigenen verqueren Gründen getötet hatte. Jemand in hohen Regierungskreisen mit dem entsprechenden Einfluss - ein General, ein Kongressabgeordneter, keine Ahnung, jemand, den Allstrong in der Tasche hatte und der ihm zu seinen Aufträgen verhalf - hatte das FBI entweder beauftragt oder dazu überredet, Kuvan den Khalils stillschweigend ans Messer zu liefern.«
Glitsky schüttelte immer noch den Kopf. »Wir sind hier zwar alle keine großen FBI-Fans, aber so etwas würde ich ihnen nun doch nicht zutrauen. Auf gar keinen Fall. Manchmal vergaloppieren sie sich zwar schon etwas, aber sie hängen
keinen unschuldigen Iraker hin und sehen dann tatenlos zu, wie ihn jemand anderer umbringt.«
Hardy gab ihm Recht und nickte. »Und wenn sie nichts davon wussten, Abe? Wenn zum Beispiel jemand sehr weit oben, ein General oder Senator oder was auch immer, zum FBI-Direktor geht und, sagen wir mal, ein gutes Wort für Allstrong einlegt, während er ihm gleichzeitig alle möglichen Geschichten über Kuvan steckt? Worauf die Agenten den Fall lösen und dann davon abgezogen werden.«
»Und wenn jemand anderer darüber reden will«, sagte Bracco, »wie Sie heute Morgen, Sir, arbeiten die Agenten nicht mehr dort.«
»Und Allstrong ist weiterhin aus dem Schneider«, sagte Hardy.
»Bis Bowen auftaucht«, fügte Hunt hinzu.
»Ganz genau«, sagte Hardy. »Mit einem Mal war sie wieder da, die Bedrohung für Allstrong, wesentlich akuter als je zuvor, und diesmal ging es um ihre nackte Existenz. Deshalb ließen sie Bowen verschwinden, bevor er ihnen Ärger machen oder auch nur weitere Fragen stellen konnte. Er musste einfach aus dem Weg geräumt werden.« Hardy sah von einem zum anderen. »Sieht hier jemand einen gravierenden Makel?«
Glitsky schaute Bracco an. »Keine Angst, Darrel, er redet immer so geschwollen daher.« Dann wieder an Hardy gewandt. »Weißt du, ob Bowen tatsächlich mal mit Allstrong in Verbindung getreten ist? Ich meine, gibt es dafür konkrete Beweise?«
»Nein, aber das dürfte sich feststellen lassen. Mit Hilfe dieser Telefonunterlagen, von denen du gesprochen hast.« Hardy wandte sich Bracco zu. »Und die seiner Frau sollten Sie sich auch ansehen.«
Glitsky blaffte eine kurze Verteidigung seines Inspectors hinaus. »Ich glaube, Darrel weiß, wie so etwas gehandhabt wird, Diz.«
»Entschuldigung«, sagte Hardy zu Bracco. »Ich schieße in der Aufregung schnell übers Ziel hinaus. Das könnte wirklich eine ganz große Sache werden.«
»Erst sollten wir lieber ein paar Beweise beschaffen.« Glitsky trank seinen Tee aus und stellte behutsam die Tasse ab. Seine Stimme troff vor Missbehagen, als er fortfuhr: »Ich gehe nur äußerst ungern davon aus, dass wir es hier mit einer Verschwörung zu tun haben. Und einer Vertuschung. Von jemandem so Hochrangigen, dass er auf das FBI Einfluss nehmen kann. Ich glaube weiter, dass unsere Jungs so etwas nicht tun.«
»Nichts für ungut, Sir, aber soll das Ihr Ernst sein?«, sagte Hunt. »Das sind die gleichen reizenden Leute, die uns Abu Ghraib und all die anderen Katastrophen im Irak beschert haben. Kuvan für das Gemeinwohl zu opfern, und das heißt in diesem Fall, mehr Geld in ein fleißiges und gottesfürchtiges Unternehmen wie Allstrong zu pumpen - da braucht man doch nicht lange zu überlegen. Wir sind schließlich die Guten, und folglich ist alles, was wir tun, in Ordnung.«
»Tja«, sagte Glitsky, »deshalb hoffen wir mal, dass wir uns in diesem Fall täuschen.«
Hardy musste an Evan Scholler denken, der eine lebenslange Haftstrafe verbüßte, und hoffte, dass sie sich nicht täuschten. Er sah keine andere einleuchtende Alternative, und den Glauben an das Gute im Menschen hatte er längst verloren. Einige waren gut, das ja, vielleicht sogar die meisten. Aber andere, besonders diejenigen, die sich von Kriegsgebieten und Chaos angezogen fühlten, taten für mehr Geld und/oder
mehr Macht manchmal alles - auch lügen, betrügen und morden. Für solche Leute galten die Grundregeln der Zivilisation nicht.
Und genau das, davon war Hardy inzwischen überzeugt, war hier passiert. Die moralische Verderbtheit, die im Irak und in den Machtgefilden hier und im Ausland schwärte, hatte dort drüben den Gemeindebrunnen vergiftet. Was Allstrong Security von den
Weitere Kostenlose Bücher