Schattenkampf
Brust hinab sinken, direkt auf ihr Herz.
»Hi.«
»Hi.«
»Dachte ich mir doch, dass ich dich hier antreffen würde.«
»Richtig vermutet. Was für ein herrlicher Nachmittag. Die Zeit des Tages, die ich am liebsten mag.«
»Ja, ich weiß.«
Stille. Sie hatte gestanden, als er an die Tür des Klassenzimmers gekommen war, und jetzt stemmte sie sich auf die Schreibtischkante hoch. »Und wie geht es dir so?«, fragte sie endlich. »Gut siehst du jedenfalls aus.«
»Es geht so. Manchmal habe ich zwar noch Kopfschmerzen, aber alles in allem habe ich großes Glück gehabt.«
»Das habe ich gehört. Gott sei Dank. Ich bin ja so froh, dass du das überstanden hast.«
»Ich auch.« Er machte einen Schritt auf sie zu. »Was ist denn mit dir? Hast du geweint?«
Sie schüttelte den Kopf und lächelte mit erzwungener Heiterkeit. »Heuschnupfen. Die Kehrseite dieser herrlichen Blumen.« Sie holte rasch Atem und ließ ihn wieder entweichen, bevor sie ein weiteres Lächeln versuchte, das jedoch an der Ranke verwelkte. »Ich habe versucht, dich anzurufen.«
»Ich weiß. Ich war unmöglich. Ich könnte natürlich sagen, ich wäre noch nicht wieder hundertprozentig gesund gewesen und könnte mich an nichts erinnern, aber das wäre gelogen. Es tut mir leid.«
Sie zuckte mit den Schultern. »Ich war ja auch unmöglich. So stur. Einfach dumm.«
»Okay, dann sind wir also beide unmöglich.«
»Dumm und unmöglich«, korrigierte sie ihn. Und endlich griff ein zaghaftes Lächeln bei ihr.
»So ist es schon besser«, sagte er und sah weg, zum Fenster und dem Hügel mit den Eichen. Als er sich wieder ihr zuwandte, hatte sich ein entschlossenerer Zug um seine Kieferpartie gelegt. Er holte Luft und blies sie scharf aus. »Bist du noch mit Ron Nolan zusammen?«
Sie biss sich auf die Unterlippe, nickte und antwortete sehr kleinlaut: »Ja.«
»Liebst du ihn?«
Sie zuckte mit den Schultern, schüttelte den Kopf, zuckte wieder mit den Schultern. »Ich weiß es nicht, Evan. Wir hatten eine schöne Zeit miteinander, aber so genau kann ich das nicht sagen. Liebe ist ein großes Wort.«
»Allerdings. Was werden wir diesbezüglich unternehmen?«
»Wie meinst du das, wir?«
»Du und ich. Wir. Die übliche Bedeutung. Die Tatsache, dass ich dich liebe.«
»O Gott, Evan.« Sie schüttelte den Kopf von Seite zu Seite. »Sag so etwas nicht.«
»Warum nicht. Es ist wahr.«
»Weißt du …« Sie rutschte vom Schreibtisch und ging ans Fenster, blieb kurz stehen, drehte sich schließlich zu ihm um. »Bitte sag so etwas nicht«, wiederholte sie. »Ich weiß nicht, wie ich damit umgehen soll.«
»Verlangt ja auch niemand von dir. Obwohl es einer der Gründe ist, weshalb ich hergekommen bin. Um dir das zu sagen. Damit du es weißt, wenn du dir diese Frage stellen solltest.«
Ihr Blick heftete sich auf seine Augen. »Na schön«, sagte
sie leise. »Jetzt weiß ich es.« Sie hob die Hand an die Stirn und drückte sie so fest dagegen, dass ihre Finger weiß wurden, dann ließ sie die Hand wieder sinken. »Gab es noch andere Gründe?«
»Andere Gründe wofür?«
»Warum du hergekommen bist. Du hast gesagt, ein Grund wäre, dass du mir sagen wolltest, dass du mich liebst. Was hattest du sonst noch für Gründe?«
Evan zog die Stirn in Falten - er konnte sich nicht mehr erinnern. Einen beängstigenden Augenblick lang fürchtete er, den wahren Grund, warum er Tara besuchen gekommen war, für immer vergessen zu haben. Jedenfalls war er nicht gekommen, um ihr zu sagen, dass er sie liebte. Denn dessen war er sich gar nicht sicher gewesen, bis er schließlich vor ihr gestanden hatte. Sie hatten zu reden begonnen, und dann war es einfach aus ihm herausgebrochen, und jetzt gelang es ihm nicht mehr, sich an den wahren Grund seines Besuchs zu erinnern. »Ich versuche gerade, mich daran zu erinnern«, sagte er. »Würde es dir was ausmachen, so lange zu warten?«
Das war das erste Mal, dass sie ganz konkret eine Folge seiner Verletzung mitbekam, und er war sich sehr deutlich bewusst, dass dieser Moment ihr Verhältnis für immer verändern könnte. Vielleicht erschien er ihr jetzt behindert, eingeschränkt, gehandicapt - jedenfalls nicht mehr so hell, wie er mal gewesen war, nicht mehr ganz der Alte. Ihr nicht mehr ebenbürtig.
Das durfte er nicht zulassen.
Er schloss die Augen und konzentrierte sich. » Komm schon, Hirn, mach endlich zu. Kram es raus.« Dann öffnete er die Augen, als ob die Antwort den Weg auf seine Zunge gefunden
hätte. »Der
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