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Schattenkind: Kriminalroman (Yngvar Stubø-Reihe) (German Edition)

Schattenkind: Kriminalroman (Yngvar Stubø-Reihe) (German Edition)

Titel: Schattenkind: Kriminalroman (Yngvar Stubø-Reihe) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Holt
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unergründlich an, er trug eine kuriose Uniform, die er offenbar selbst zusammengestellt hatte.
    Ellen wollte ihn nicht sehen. Sie hatte sich seit Sanders Tod geweigert, Nachrichten zu schauen. Der Terroranschlag betraf sie nicht. Die Welt dort draußen konnte von ihr aus durch einen verrückten Extremisten aus den Angeln gehoben werden, Ellen hatte mit ihrer eigenen Katastrophe genug zu tun.
    Gereizt versuchte sie, die Zeitungswebsite zu entfernen. Der große Verband um ihre rechte Hand machte es schwer, die Maus zu bedienen, und der Cursor traf das kleine Buchsymbol für die Lesezeichen.
    Sie wusste nicht mehr genau, wo das Programm bei einem Mac zu finden war.
    »Wo in drei Teufels Namen ist Word auf diesem ...«
    Verzweifelt versuchte sie, die Tränen zurückzuhalten. Der Rücken tat ihr weh, und ihre Augen brannten. Ellen ließ die Maus los, presste die Hände auf ihr Zwerchfell und versuchte, tief durchzuatmen.
    Plötzlich hielt sie die Luft an.
    Bewegungslos starrte sie auf den Bildschirm.
    Eine Ewigkeit lang starrte sie auf drei Adressen unter dem Lesezeichen. Am Ende ließ sie die Luft aus ihrer Lunge entweichen. Das hier musste ein Fehler sein. Die Wörter mussten etwas anderes bedeuten. Sie zwang sich zu atmen. Aus und ein. Aus und ein.
    Am liebsten hätte sie den Laptop ausgeschaltet und die Todesanzeige auf dem Papier entworfen. Und das hier vergessen. Alles vergessen. Es gab so viele Geheimnisse, so vieles, das nicht gesagt werden konnte, und das hier war schlimmer als alles andere, was Jon und Ellen in einer unauflöslichen Allianz des Schweigens miteinander verband.
    Sie schaltete nicht aus. Stattdessen klickte sich Ellen auf drei Websites weiter. Die eine war mit einem Code gesichert. Zu den anderen hatte sie Zugang. Als sie genug gesehen hatte, ging sie systematisch alle Dokumente und Bilder durch, die auf dem MacBook gespeichert waren. Erst nach vierzig Minuten hatte sie alles durchgesehen und trank ihr Glas leer.
    Jons Rechner war voll von Kinderpornos.
    Die groteskesten Bilder, schlimmer als alles, was sie sich hätte vorstellen können, waren auf dem Laptop ihres eigenen Mannes gespeichert.
    Ihr Daumen tat nicht mehr weh. Die Tränen waren versiegt. Ihr Kopf war leicht und leer, bis auf einen einzigen kristallklaren Gedanken: Das hier muss weg. Die Polizei darf es niemals finden. Ellen wusste sehr gut, dass die Polizei bei Straffällen als Allererstes die Computer beschlagnahmte. Fast unabhängig davon, was für ein Verdacht bestand, so kam es ihr vor.
    Der junge Mann in der viel zu großen Uniform glaubte, Jon habe Sander umgebracht. Er würde zurückkommen. Sein Tonfall am Vortag, als sie wegen der Beisetzung angerufen hatte, ließ keinen Zweifel daran. Er hatte es sich in den Kopf gesetzt, dass Sander zu Tode misshandelt worden war, er würde nicht aufgeben. Ihre Schwiegermutter hatte einmal gesagt, das gefährlichste Tier auf dieser Welt sei ein überzeugter Polizist. Und diese grauenhaften Missbrauchsbilder auf dem Computer zu haben war an sich schon strafbar.
    Jon durfte nicht festgenommen werden. Aus keinem Grund.
    Ihr erster Gedanke war, alles zu löschen. Danach wollte sie das Gerät zerstören und es auf einem Recyclinghof entsorgen. Ihre Finger jagten über die Tastatur. Mitten in dieser Operation fiel ihr ein, dass der Laptop sicher irgendwo registriert war. Und sei es nur in der Buchhaltung der Firma Mohr und Westberg. Es würde Verdacht erregen, wenn er einfach verschwunden war.
    Fertig.
    Alles war gelöscht. Aber es gab Programme, die gelöschte Dokumente rekonstruieren konnten, das wusste Ellen. Sie musste die Elektronik zerstören. Zugleich musste der Laptop zugänglich sein, wenn die Polizei danach fragte.
    Sander hatte ihr eigenes Gerät zerstört, als er es mit ins Schwimmbecken genommen hatte.
    Wasser allein würde aber wohl nicht ausreichen. Nur der Apparat, nicht die Dokumente, würde zerstört werden. Aber es war ein Anfang.
    Ellen ging zum Waschbecken und verschloss den Abfluss. Sie ließ Wasser ein und holte eine Flasche Salmiakgeist aus der Waschküche. Ohne zu zögern, klappte sie den Laptop auf und goss den Inhalt über die Tastatur. Die Flüssigkeit versickerte zwischen den Buchstaben, langsam und zäh. Der Gestank stieg ihr in die Nase, und als sie das Gerät ins Becken stellte, musste sie zum Fenster laufen. Sie sog die frische, sonnige Luft in langen Zügen ein, ehe sie nach einigen Minuten den Laptop aus dem Waschbecken fischte. Danach stellte sie den

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