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Schattenkrieg

Schattenkrieg

Titel: Schattenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Saumweber
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und seitdem war es nur noch schlimmer geworden. Vielleicht hätte es in einer weniger gespannten Situation mit kooperationsbereiten Unteroffizieren funktioniert – aber so war ihr schmerzlich bewusst, dass sie hier gnadenlos scheiterte.
    Sie war noch nie im Leben so frustriert gewesen. Sie verstand nicht, warum sie hier ihren Kopf riskierte, sie verstand noch nicht einmal, warum auf sie geschossen wurde. Schließlich taten die UN-Truppen den Einheimischen nichts! Sie fand keinen Anschluss bei den Offizieren, die Unteroffiziere hassten sie und die Mannschaften waren desinteressiert und misstrauisch.
    Sie wunderte sich, wie es wohl für ihren Großvater gewesen war, ein Fallschirmjäger im Zweiten Weltkrieg. War er genauso wie sie gewesen, eine schwache Autoritätsperson, die mit sich selbst und ihrem Auftrag haderte? Sie würde es nie erfahren. Er war in Norwegen gefallen, ganz am Ende, als der Krieg eigentlich schon vorüber war.
    Norwegen … Sie schluckte, als sie daran dachte. In Norwegen war auch ihr Bruder gestorben, Thorsten, vor vier Jahren. Oder besser: Er hatte sich dort umgebracht. Er hatte dort Arbeit gesucht, im Land des Ölbooms, aber keine gefunden, und war offenbar an Dunkelheit und Einsamkeit erstickt. Er hatte einen Abschiedsbrief geschrieben, seine Wertsachen hinterlegt und war verschwunden.
Freitod durch Ertrinken
, hatten die dortigen Behörden geschrieben, weil sie seine Klamotten am Strand gefunden hatten.
    Sie hatte sich geschworen, niemals im Leben auch nur einen Fuß in dieses verfluchte Land zu setzen.
    Sie stieg aus der Dusche und trocknete sich ab, bevor sie wieder in ihre Uniform schlüpfte. Traurig und wehmütig griff sie nach dem Amulett. Es war das einzige Erinnerungsstück, das sie besaß, sowohl von ihrem Großvater als auch von Thorsten.
    Es war ein Schwert in einer Schwertscheide, die an einem Kettchen befestigt war. Es bestand aus einfachem Stahl, doch sowohl Schwert als auch Scheide waren außergewöhnlich detailliert ausgestaltet, mit Bändern, Runen und Vögeln. Die Klinge war noch immer so scharf wie ein Rasiermesser, mehr als einmal hatte sie sich bereits daran geschnitten. Gerne wüsste sie mehr von seiner Geschichte. Wie war ihr Großvater in seinen Besitz gekommen? Hatte er es gekauft? Oder einem gefallenen Norweger abgenommen? Hatte er wie viele andere deutsche Soldaten auch geplündert und dabei auch das Medaillon geraubt? Oder war es vielleicht sogar schon vorher im Besitz ihrer Familie gewesen? Wie dem auch sei, ihr Großvater hatte es ihrer Mutter vermacht, die es nie getragen und schließlich an Thorsten weitergegeben hatte. Schließlich hatte es Veronika erhalten, nachdem sich ihr Bruder umgebracht hatte. Seit vier Jahren trug sie es nun um den Hals, gemeinsam mit ihrer Hundemarke. Und genauso wie die Hundemarke gehörte es inzwischen zu ihr und war nicht mehr wegzudenken.
    Wie immer erschrak sie über sich selbst. Dass das Amulett zu ihr gehören sollte, war eine Sache. Aber die Hundemarke? Sie
hasste
die Bundeswehr! Sie zählte bereits die Tage bis zum Ende ihrer Verpflichtung. Zugegeben, das waren noch eine ganze Menge, nachdem sie erst vor kurzem verlängert hatte, aber trotzdem! Sobald sie die Gelegenheit bekam, der Bundeswehr den Rücken zuzukehren, würde sie es tun!
    In diesem Moment war der Warmwassertank der Dusche leer. Veronika stieß einen spitzen Schrei aus, zwang sich aber, noch zwei Minuten unter der kalten Brause auszuhalten.
    Eine Zeitlang starrte sie vor sich hin. Dann fragte sie sich: Würde sie wirklich?
    Es war zwölf, als sie verunsichert aus der Dusche stieg. Sie wickelte sich in ihr Handtuch und eilte zurück auf ihr Zimmer. Bald gab es Mittagessen in der Offiziersmesse.
     
    Mittagessen mit den anderen Offizieren war wie ein Spießrutenlauf. Oder besser noch wie ein Minenräumkommando. Sie fühlte sich belauert, als ob die Männer nur darauf warten würden, dass sie etwas Falsches sagte, um dann über sie herzuziehen. Meistens blieb sie still, sprach nur dann, wenn sie direkt angesprochen wurde. Die Gesprächsthemen waren ohnehin meist völlig daneben. Frauenwitze waren an der Tagesordnung, und das war noch eher harmlos. Heute Mittag hatte Stern vom 4. Zug mit anzüglicher Stimme gefragt, wie Veronika zu ihren beiden Feldbeförderungen gekommen war. Das Gelächter der anderen, ausgenommen natürlich Hauptmann Hagen, der sich bei so was meist vornehm zurückhielt, sagte Veronika genug. Ihre Kollegen glaubten, sie hätte sich hochgeschlafen.

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