Schattenkrieg
Der, den es in der Basis zu trinken gab, war von ähnlich angenehmem Geschmack wie ein Brechmittel, so dass sich Veronika bisher für den Entzug entschieden hatte. Normalerweise trank sie vier oder fünf Tassen am Tag.
Mit einem kurzen Griff in die Jacke überzeugte sie sich, dass sie tatsächlich Geld dabeihatte. Mit betont offenem, freundlichem Gesichtsausdruck trat sie an den Tresen, hinter dem ein noch junger, hochgewachsener Albaner stand. Sie lächelte herzlich und sagte in betont deutlicher Sprache: »Eine Tasse Mokka-Kaffee bitte.«
»Deshironi kafe turke apo kafe arabe?«
Veronika lächelte verlegen. »Äh … Mokka-Kaffee. Eine Tasse.« Dabei zeigte sie die ›1‹ mit dem Daumen ihrer rechten Hand an.
»Turke apo arabe?«
»Äh … türkisch?«
»Me qumesht?«
»Oje«, seufzte Veronika. Sie spürte, wie ihr die Röte ins Gesicht schoss. »Ich fürchte, ich verstehe Sie nicht.«
»Une nuk ju kuptoj!«
»Er fragt, ob Sie Milch in Ihren Kaffee haben möchten«, erklärte eine weibliche Stimme hinter ihr. Veronika wandte sich überrascht um. Dort stand eine Frau, etwas größer als sie selbst. Sie trug eine verwaschene schwarze Jeans, eine blaue Jeansjacke und ein Kopftuch, das jedoch ihre langen lockigen schwarzen Haare nicht bändigte. Sie fügte zwinkernd hinzu: »Nur ein Barbar würde Milch in seinem Kaffee wollen.«
»Äh … dann will ich wohl keine.«
»Ajo piu kafen e saj pa qumesht! Dhe une po marr nje.«
»Si urdheroni.« Der Albaner verschwand in einer Türe hinter seinem Tresen.
Veronika wandte sich der Fremden zu. »Vielen Dank! Ich hätte nicht gedacht, hier jemanden zu treffen, der meine Sprache spricht!«
»Überrascht?« Die andere lächelte.
»Und wie! Darf ich Sie einladen, als Dankeschön?«
»Gerne. Ich heiße Fatima.«
»Veronika Wagner.« Die beiden schüttelten sich die Hände.
Der Albaner trat wieder aus der Tür heraus, zwei kleine Tassen balancierend. Nachdem Veronika bezahlt hatte, verließen sie das kleine Lokal und setzten sich an einen Tisch an der Straße.
»Wie kommt es, dass Sie Deutsch sprechen, Fatima?«, fragte Veronika neugierig.
»Ich habe eine Zeitlang in Deutschland gelebt. Das war vor … vielleicht fünfzehn Jahren?«
»Sie sprechen gut!«
»Danke!«
Vorsichtig nippte Veronika an ihrer Tasse. Es war eine Wohltat, wieder echtes Kaffeearoma auf der Zunge zu spüren, und so angenehm, dass Veronika beschloss, öfter in die Stadt zu gehen.
»Darf ich Ihnen auch eine Frage stellen?«, fragte Fatima.
»Aber natürlich, schießen Sie los!«
»Seit wann gibt es bei der deutschen Armee Frauen?«
Veronika zog überrascht die Augenbrauen nach oben. Instinktiv drehte sie sich um, ob jemand das Gespräch mithörte. »Wie kommen Sie darauf?«
Fatima lächelte. »Es ist nicht so schwer, wie Sie denken. Erstens gibt es in der Stadt keine Deutschen, die nicht zur Armee gehören. Zweitens sind Ihre Schuhe vom Militär, und drittens tragen Sie unter der Schulter eine Pistole, was keine Frau von hier tun würde.«
Veronika schluckte. »Ich hätte nicht gedacht, dass das
so
offensichtlich ist.«
»Ich bin eine gute Beobachterin.«
»Nun, bei den Sanitätern gibt seit langem Frauen.« Sie hoffte, dass die Muslimin nicht weiterfragen würde.
»Sie sind aber keine Sanitäterin, oder?«
Soviel dazu.
»Ich … für mich gibt es eine Sonderregelung.«
Fatima zog fragend die Augenbrauen nach oben.
Für einen kurzen Moment spürte Veronika wieder diese Hemmung, darüber zu sprechen, genau wie sonst in der Offiziersmesse. Doch ihre Vorbehalte verschwanden ebenso schnell, wie sie gekommen waren. Was wäre schlimm daran, dieser Frau etwas über sich zu erzählen? Spielte es eine Rolle, ob sie ihr glaubte oder nicht? Wahrscheinlich würde sie ihr ohnehin nie mehr über den Weg laufen …
Und auf der Basis gibt es keinen Menschen, mit dem ich darüber reden kann!
»Meine Vorgesetzten haben festgestellt, dass ich … dass ich …« Es fiel ihr schwer, die richtigen Worte zu finden. »Hm, es sieht so aus, als ob ich eine Art
Talent
dafür hätte, in schwierigen Situationen den Überblick zu behalten.« Das war noch eine relativ harmlose Umschreibung ihrer merkwürdigen Wahrnehmungen und Sinneseindrücke, die sie in Mogadischu zum ersten Mal erfahren hatte, eine Umschreibung, die hoffentlich nicht
zu
unglaubwürdigklang. »Deshalb hat man mich befördert und zu den Fallschirmjägern gesteckt. Als einzige Frau unter Tausenden von Männern.«
»Das ist schwierig,
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