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Schattenkrieg

Schattenkrieg

Titel: Schattenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Saumweber
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nicht?«
    »Schwierig?« Sie schnaubte bitter. »Unmöglich, würde ich sagen! Sehen Sie mich an: Ich bin eine Frau. Ich bin klein. Ich bin blond. Ich habe eine hohe Stimme. Jede einzelne dieser Eigenschaften ist schlecht für eine Autoritätsperson. Alle zusammengenommen …« Veronika seufzte.
    »Sind Sie … äh … wie heißt das Wort? Anführerin?«
    »Offizierin. Ich bin Leutnant.«
    »Und nicht besonders glücklich?«
    Veronika presste die Lippen zusammen, schüttelte langsam den Kopf. »Nein. Es war ein Fehler, hierherzukommen. Zuvor, bei der SFOR, hatte ich eine Gruppe unter mir, das sind zehn Mann. Wir waren ein eingeschworenes Team, haben viel zusammen durchgemacht. Aber jetzt …« Sie zuckte mit den Schultern.
    »Fühlen Sie sich alleine?«
    Veronika antwortete erst nach langem Zögern. »Ja«, murmelte sie dann leise. »Ja. Ich habe niemanden, mit dem ich reden kann, wissen Sie? Meine Untergebenen würden mich auslachen und noch weniger respektieren, die anderen Zugführer schauen auf mich herab, und dem Hauptmann ist alles ziemlich egal. Mit wem sollte ich reden?«
    »Ich verstehe Sie sehr gut, Veronika. Mir geht es nicht anders.«
    Veronika blickte auf. »So? Warum?«
    »Das ist eine lange Geschichte …«
    »Ich bin ein guter Zuhörer!«
    »Nun, ich weiß nicht, ob Sie es herausgehört haben, aber ich stamme ursprünglich aus Italien. Ich bin dort mit vierzehn in ein Kloster eingetreten.«
    Veronika zog überrascht die Augenbrauen nach oben, sagte aber nichts.
    »Mit siebzehn hat man mich dann in den Vatikan nach Rom geschickt. Ich habe dort Sachen erlebt, die können Sie sich nichtvorstellen, Dinge, die mich in Schwierigkeiten gebracht haben. Was wissen Sie über die Inquisition?«
    »Nicht viel, um ehrlich zu sein … Das sind doch diese Bischöfe in diesen roten Kleidern, oder? Die sich darum kümmern, wenn sich ein Priester an seinen Ministranten vergangen hat? So eine Art kirchlicher Staatsanwalt?«
    »Hmm, ja, das auch. Das ist das eine Gesicht der Inquisition. Sie besitzt aber noch ein zweites. Eines, das sich nicht ganz so sehr darum schert, was Recht und Gesetz ist.«
    Veronika verzog keine Miene, obwohl sie Fatimas Worte kaum glauben konnte. Nachdem die Frau Veronikas Geschichte ohne Vorbehalt angenommen hatte, wäre es nicht fair, nun Zweifel zu zeigen. Stattdessen nickte sie nur.
    »Wie gesagt, ich bin in Schwierigkeiten geraten, in Schwierigkeiten mit der Inquisition. Ich musste verschwinden, und ich brauchte ein gutes Versteck. Die Inquisition hat gute Spione, müssen Sie wissen. Ich dachte mir, in den Wirren des Bürgerkriegs hier könnte ich gut untertauchen. Ich kaufte einen Koran, konvertierte und kam hierher. Kann man sich für eine christliche Nonne ein besseres Versteck vorstellen als ein muslimisches Dorf in einem Bürgerkrieg?«
    Veronika schüttelte gebannt den Kopf. Die Geschichte klang noch abenteuerlicher als ihre eigene.
    »Anfangs«, fuhr Fatima fort, »war es sehr schwierig. Ich habe schnell festgestellt, dass die meisten muslimischen Frauen genauso unterdrückt werden wie eine christliche Nonne. Das ist etwas, was ich mir nicht mein ganzes Leben lang bieten lassen wollte. Deshalb bin ich von Dorf zu Dorf gewandert und habe nach Arbeit gesucht, nach Arbeit für eine fremde, merkwürdige, widerspenstige Frau. Und ich hatte Glück. Vielleicht hat es Allah – oder Gott, wenn Ihnen das lieber ist – so gegeben, vielleicht auch nicht, jedenfalls bin ich auf ein Dorf gestoßen, das vor kurzem von serbischen Milizen heimgesucht worden ist. Der Imam, der Lehrer, der Dorfälteste und einige andere wichtige Persönlichkeiten sind von ihnenerschossen worden. Ich habe ihnen angeboten, als Lehrerin für ihre Schule zu arbeiten. Es hätte eine Übergangslösung werden sollen, aber irgendwie habe ich die Stelle immer noch. Manchmal versucht der Dorfrat, mich zu verheiraten, aber ansonsten lassen sie mir größtenteils meine Freiheit. Ich glaube, für mein Dorf bin ich eine Art exotisches Tier, von dem sie zu fasziniert sind, um mich in meine Schranken zu verweisen.« Fatima seufzte. »Aber ich bin allein. Für die Männer bin ich eine fremde Frau, mit der sie möglichst wenig zu tun haben wollen, für die Frauen bin ich viel zu westlich und zu unislamisch.«
    »Aber trotzdem schicken sie ihre Kinder zu Ihnen in die Schule?«
    Fatima zuckte mit den Schultern. »Das ist schon ironisch, nicht?«
    »Das kann man wohl sagen …«
    Die beiden Frauen schwiegen für ein paar Augenblicke.

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