Schattenkrieg
kämpfenden Truppe wurde erwartet, dass ein Gruppenführer einen aufmüpfigen Soldaten niederschlagen konnte, wenn es hart auf hart kam. Und was ihr an Größe und Stärke fehlte, machte sie durch Schnelligkeit und ihren merkwürdigen Kampfsinn wett. Sie antwortete nicht.
Schließlich zuckte Fatima mit der Schulter und murmelte »Sie haben es so gewollt … viel Glück«, bevor sie übersetzte.
Die Männer lachten erneut. Ihr Anführer fuhr sie harsch an, worauf er die Ruhe bekam, auf die er es angelegt hatte. Dann sprach er ein paar großspurige Worte zu Fatima. Veronika sah, wie die Muslimin verblasste.
»Er besteht darauf, mit dem Messer zu kämpfen! Und er will, dass Sie Ihre Panzerjacke ablegen.«
Veronika schluckte hart.
Ein Messerkampf
…
Auf einen Messerkampf war sie nicht vorbereitet. Ihre Ausbilder hatten während der Einzelkämpferausbildung zwar versucht, ihr den Kampf mit der kurzen Klinge vertraut zu machen, hatten sich aber an ihr die Zähne ausgebissen. Sie war eine leidlich gute Werferin, doch sie glaubte kaum, dass sie den Tag überleben würde, wenn sie ihren Gegner mit einem
Wurf
zur Strecke brachte. Seine Männer würden »Betrug« schreien und über sie herfallen … Die kugelsichere Weste war ein weiterer Teil ihrer Strategie gewesen. Doch nun war es zu spät, einen Rückzieher zu machen, zu spät,Fatima darum zu bitten, die Situation durch ihre Diplomatie zu retten. Veronika nickte.
Sie lief zu dem Fahrzeug. Die Männer wichen respektvoll vor ihr zurück. Veronika zog Jacke und Kevlarweste aus und warf beides auf die Motorhaube des Wolfs, zusammen mit dem leeren Schulterhalfter ihrer P8. Während sie ihre Schuhe neu band, beobachtete sie aus den Augenwinkeln ihren Gegner. Er war aus seiner Jacke geschlüpft, unter dem engen T-Shirt bewegten sich harte Muskeln. Er hatte nun eine lange, blitzende Klinge in der Hand und machte damit auflockernde Bewegungen.
Für ihn war das, was jetzt kommen würde, nicht mehr als ein Spiel, realisierte sie. Er hatte das Messer gewählt, um seinen Männern eine bessere Show zu bieten.
Gebt der Meute, was sie braucht!
Sie begann, ihn zu verstehen. Er würde mit ihr spielen wie die Katze mit einer Maus. Wenn sie Glück hatte, würde er deshalb einen Fehler begehen und ihr die Möglichkeit geben, mit heiler Haut aus diesem Kampf herauszukommen. Wenn sie Pech hatte, würde es das Unvermeidliche nur noch hinauszögern …
Schließlich erhob sie sich und zog ihr eigenes Kampfmesser aus der Scheide an ihrem Gürtel. Sie wog es in der Hand, unschlüssig darüber, wie sie es halten sollte, mit der Klinge nach oben oder unten, sah sich schließlich die Handhaltung von ihrem Gegner ab. Nach unten, die Klinge in Richtung Kleinfinger also.
Warum ausgerechnet ein Messerkampf?
Die Milizionäre hatten inzwischen einen weiten Kreis auf der Straße gebildet. Wassermann war jedoch noch immer in sicherem Gewahrsam. Einige Anwohner hatten sich auf der Straße eingefunden. Nicht alle blickten entsetzt oder erschrocken – in vielen Gesichtern sah Veronika Genugtuung und Zufriedenheit. Einen Moment lang fragte sie sich, wie lange die deutschen Soldaten in diesen Landstrichen schon tobten und wie wild.
Dann betrat einer der Männer den Kreis und begann zu sprechen. Fatima übersetzte für sie: »Der Kampf hat keine Regeln bis auf diese: Es wird gekämpft, bis einer der Kämpfer tot ist. Keinerder Kämpfer verlässt vorher den Ring. Keiner verwendet eine andere Waffe als das Messer oder seinen eigenen Körper. Das Messer darf nicht geworfen werden.«
Der Mann nickte und trat wieder aus dem Kreis. Für einen Moment war sich Veronika unschlüssig, ob der Kampf schon begonnen hatte, doch dann setzte ihr Kampfsinn ein.
Von jetzt auf gleich spürte sie eine ungeheure Bedrohung, die ihr die Haare zu Berge stehen ließ und einen kalten Schauer über ihren Rücken jagte. Die Empfindung ließ keinen Zweifel – der Kampf war eröffnet. Eine zweite Welle Adrenalin flutete durch ihren Körper und trieb ihren Puls noch einmal in die Höhe. Sie begann zu tänzeln, locker, nicht verausgabend, so wie es ihr die Karate-Lehrer beigebracht hatten.
Ihr Gegner blieb großspurig. Ein breites Grinsen stand auf seinem Gesicht. Die Klinge wechselte zwischen seinen Händen und vergrößerte Veronikas Verzweiflung nur noch – er schien ein geübter Messerkämpfer zu sein, und außerdem war er beidhändig! Ihre Instruktoren hatten ihr beigebracht, dass dies die größte Gefahr im Messerkampf war.
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