Schattenkrieg
er wieder in Lethargie verfiel. Magnus, der sich einen bösen Schnupfen zugezogen hatte, schnäuzte sich geräuschvoll.
»Das war bestimmt bis nach Elveseter zu hören«, stellte Vertiscus fest. Er gab sich redliche Mühe, so zu tun, als ob ihm der lange, kalte Ritt nichts ausmachen würde. Seine Miene erinnerte an seinen Vater: emotionslos und undurchdringlich.
Die Männer lachten, während Magnus kleinlaut brummte: »Entschuldigung, Herr!« Als er gleich darauf noch niesen musste, erlaubte sich sogar der Fürstensohn ein Lächeln.
»Wir sind bald da«, sagte er großmütig und spornte sein Pferd zu größerer Eile an.
Mit einem Stiefeldruck beschleunigte Baturix sein eigenes Reittier.
Hoffentlich habt Ihr recht
, dachte er frierend.
Hoffentlich habt Ihr recht, und wir erreichen bald Elveseter. Dann können wir uns an einem warmen Feuer erholen, Ihr sprecht mit Orgetorix, und morgen können wir wieder zurück nach Hause aufbrechen.
So lautete der Auftrag, mit dem Cintorix seinen Sohn und die vier Mann seiner Leibgarde am Fuße des Jotunheimen entlang nach Lomus geschickt hatte. Doch Orgetorix war nicht in Lomus gewesen, und so hatten sie weiterreiten müssen nach Elveseter, wo sie nun hofften, ihn zu finden.
»Brrr!«, rief Allurix plötzlich. »Seid mal ruhig!«
Baturix zügelte Vitellius und spitzte die Ohren.
Allurix zog die Mütze vom Kopf und lauschte angespannt. Seine Rechte wanderte zum Schwertknauf.
»Was ist denn?«, zischte Vertiscus, der sein Pferd langsam an seine Seite steuerte.
»Ich dachte, ich hätte etwas gehört, Herr«, murmelte Allurix. »Hufe.«
»Zwischen unseren fünf Pferden glaubst du die Geräusche von einem anderen Pferd heraushören zu können?« Vertiscus’ Stimme klang ungläubig.
»Ja, Herr.«
Sie warteten eine Weile. Gerade, als Vertiscus zu sprechen ansetzen wollte, hörten sie es alle. Ein einzelnes Pferd, vor ihnen auf dem Pfad. Baturix spähte angestrengt, doch bis zur nächsten Biegung war nichts zu erkennen. Hände legten sich auf Schwertgriffe. Septus und Magnus lenkten ihre Pferde nach vorne, während Allurix die Armbrust spannte.
Eine dunkle Gestalt auf einem grauen Pferd kam um die Biegung im Wald geschossen.
»Halt! Wer reitet dort? Gebt Euch zu erkennen!«, schrie Vertiscus, während sie ihre Waffen zogen.
Der fremde Reiter zügelte sein Pferd. »Ich bin Comnius, von Rädorix’ Stamm. Ich reite als Bote und komme vom Kastell Elveseter!«
»Kommt näher!«
Der Fremde tat, wie ihm geheißen. Einzelheiten waren im schwachen Licht der Dämmerung erst zu erkennen, als er bis auf zehn Schritte heran war. Er trug Stiefel aus Fell, darüber Lederhosen und einen dicken, aus mehreren kleineren Fellen zusammengenähten Umhang. Unter einer braunen Wollmütze mit Ohrenschützern sowie einem Schal war sein Gesicht kaum zu erkennen. Er schien unbewaffnet zu sein.
»Herr«, sprach er Allurix an, »entschuldigt mich. Seid Ihr Fürst Cintorix?« Er hatte offenbar das Banner bemerkt.
»Nein«, erwiderte Vertiscus.
Der Fremde fuhr zu ihm herum.
»Seid
Ihr
es? Entschuldigt, Herr, ich hätte Euch … für älter gehalten.«
»Ich bin Vertiscus, der
Sohn
des Fürsten. Erzählt, was Ihr für Neuigkeiten zu berichten habt.«
»Jawohl, Herr.« Comnius neigte kurz seinen Kopf. »Der Druide Orgetorix liegt schwerverwundet im Kastell. Ich wurde geschickt, um Hilfe zu holen. Er wurde bei einer Patrouille von einem Schwarzen Pfeil getroffen. Schatten treiben sich in der Gegend herum.«
»Wie weit ist es noch bis dorthin?«
»Etwa fünfzehn Minuten, wenn Ihr Euch beeilt.«
»Gut. Reite weiter, so schnell du kannst. Veranlasst auch, dass mein Vater davon erfährt.«
»Jawohl, Herr.«
Damit gab Vertiscus seinem Pferd die Sporen.
»Kommt gut durch die Nacht, Comnius!«, rief Baturix dem Boten zu, bevor er Vertiscus folgte.
Der Fürstensohn legte ein schnelleres Tempo vor, als Baturix recht war. Das Halbdunkel des Waldes war, zusammen mit dem teilweise gefrorenen Boden, schwieriges Terrain, und Baturix sah sich schon zusammen mit seinem Pferd stürzen. Selbst wenn nicht, war ihm mulmig zumute. Die Situation erinnerte ihn viel zu sehr an die morgendliche Schattenjagd, die ihn zwei Finger gekostet hatte.
Zehn Minuten später erreichten sie das Ende des Waldes. Brachliegende, schneebedeckte Felder erstreckten sich vor ihnen, eingerahmt von den Bergen zu ihrer Linken und einer niedrigeren Vorgebirgskette zur Rechten. In etwa einem Kilometer Entfernung war eine Gruppe kleiner,
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