Schattenkrieg
dunkler Hütten zu erkennen, die sich an den Hang schmiegten. Auf einem Felsen darüber war ein Burgturm errichtet, der schwarz in den grauen Abendhimmel hineinragte.
»Ist der Turm etwa Elveseter?«, fragte Septus. »Dachte, das wäre größer!«
»Der Rest der Anlage ist von hier nicht zu sehen«, erwiderte Allurix, der schon einmal hier gewesen war. »Du siehst es, wenn du vom Dorf aus den Pfad nach oben steigst.«
»Das Kastell mag vielleicht von hier unscheinbar wirken, aber Elveseter ist uneinnehmbar«, meinte Vertiscus, »zumindest ohne eine extrem große Übermacht.«
Baturix presste die Lippen aufeinander. Elveseter mochte uneinnehmbar sein, doch was war mit Lykkesella? Das Kastell am Wald, mit diesen Worten hatte sich Baturix Lykkesella eingeprägt, das gegen eine anrückende Schar von Nain höchstens so lange bestehen konnte, wie ein Botenreiter brauchte, um eine sichere Distanz zwischen sich und dem Feind zurückzulegen … Sein Sohn war dort, Tertius …
»He, Glückspilz! Träumst du?« Ruckartig blickte Baturix auf. Magnus ritt neben ihm, blickte ihn unter zusammengezogenen Augenbrauen an. »Du solltest besser die Augen offen halten! Es gibt Schatten hier!« Damit ritt er an ihm vorbei.
Baturix sah ihm nachdenklich hinterher. Der Mann hatte natürlich recht. So viele Sorgen er sich auch um seine Familie machte – er würde ihr nicht helfen, wenn er hier draußen umkam, womöglich wegen einer solchen Dummheit wie unaufmerksamen Reitens.
Ein einzelner Hornstoß erklang, als sie den Wald hinter sich ließen und über die Felder zu dem kleinen Dorf ritten. Die Gebäude waren leer, verlassen von ihren Bewohnern, die bestimmt im Kastell Zuflucht vor der Gefahr durch die Schatten gesucht hatten.
Für den steilen Anstieg mussten sie absteigen und die Pferde am Zügel führen. Zehn Minuten später erreichten sie das Tor des Kastells, das sich mit quietschenden Angeln für sie öffnete.
Im Innenhof warteten schon mehrere Männer auf sie. »Ich hätte deinen Vater erwartet, Vertiscus«, meinte einer von ihnen, ein unscheinbarer Krieger mit grauem Haar und dem Ansatz eines Bauchs.
»Mein Vater ist im Auftrag des Rats in der Außenwelt unterwegs«,erwiderte der Fürstensohn. »Wir sind gekommen, um mit Orgetorix zu sprechen.« Die Begegnung mit dem Botenreiter Comnius ließ er unerwähnt.
Die Miene des Mannes verfinsterte sich. »Orgetorix ist verwundet. Ich bringe dich am besten gleich zu ihm.«
Vertiscus nickte. Dann wandte er sich Baturix und den anderen zu. »Allurix, Septus, ihr kümmert euch um die Pferde. Magnus, du bist für unser Quartier heute Nacht zuständig. Baturix, du kommst mit mir.«
Baturix nickte. »Jawohl, Herr.« Während er Vertiscus und dem anderen Mann folgte, musste er lächeln. Vertiscus war reifer geworden. Früher, als er noch ein Junge gewesen war, hatte er jede sich bietende Möglichkeit genutzt, Baturix’ Stellung anzugreifen; inzwischen schien er den Status quo zu akzeptieren, wenngleich das wohl eher aus Rücksicht auf seinen Vater als aus Liebe zu Baturix geschah.
Der Krieger führte sie zu dem Kastellturm, ein wuchtiger, aber niedriger Bau aus dunklem Fels. Baturix lehnte das Banner neben den Eingang, bevor er den anderen nach drinnen folgte. Über eine enge, von einer Fackel in flackerndes Licht getauchte Wendeltreppe gelangten sie in ein kleines Turmzimmer.
In krächzendem Ton fragte eine Männerstimme: »Wer ist da?«
»Divico, mit dem Sohn und dem Bannerträger der Spinne.« Divico trat zu Seite, um dem Verwundeten einen Blick auf die Neuankömmlinge zu ermöglichen.
»Kommt herein«, krächzte Orgetorix.
Vertiscus ließ sich von Divico eine Fackel reichen und trat ein. Baturix folgte ihm. Sofort schlug ihm der Gestank nach altem Schweiß und einem nicht geleerten Nachttopf entgegen, doch nach all den Jahren Innenwelt konnte Baturix dies kaum noch stören. In dem Raum befanden sich neben dem Bett mit dem Verletzten ein Stuhl, ein kleiner Tisch und eine große Kiste. An der Wand lehnten ein Schwert in einer ledernen Scheide sowie ein Schild, auf dessen schwarzen Grund fünf weiße Eicheln gepinselt waren. DerDruide selbst lag in dem Bett, zugedeckt mit mehreren Felldecken, die neben seinem Kopf auch seinen linken Oberschenkel freiließen, aus dem ein langer, schwarz befiederter Pfeil ragte. Sein dunkelbraunes, halblanges Haar war strähnig, sein Gesicht war verschwitzt und unrasiert. Vertiscus zog den Stuhl neben das Bett und setzte sich.
Baturix spürte
Weitere Kostenlose Bücher