Schattenkrieg
ließen dabei ein großes Trinkhorn kreisen. Woher sie in der Innenwelt den Alkohol hatten, vermochte Baturix nicht zu sagen. Ab und zu verließ einer von ihnen zum Pissen das Feuer, aber das Gebüsch über ihrem Versteck war so dicht, dass die Fomorer lieber leichtere Routen in den Wald nahmen und Baturix keine Angst vor einer Entdeckung zu haben brauchte.
Sie ließen sich lange Zeit; viel zu lange für den Geschmack der im Schlamm liegenden Kelten. Die Kälte kroch langsam in ihre Glieder, die Müdigkeit nach einem anstrengenden Tag machte sie schläfrig und ließ sie sich nach den Decken in ihrem Zelt sehnen. Stattdessen mussten sie warten und den Fomorern beim Trinken zusehen.
Der Kleinste von ihnen, ein Mann mit kurzem, von ersten grauen Strähnen durchsetztem Haar, schien trotz eines Lispelns ein begnadeter Witzeerzähler zu sein. Der Jüngste, eine Bohnenstange von vielleicht zwanzig Jahren, mit schwarzem Haar und blasser Haut, wirkte depressiv und lachte nur selten. Seine mit ruhiger Stimme erzählten Geschichten machten die anderen melancholisch. Der Dritte, von durchschnittlicher Größe und mit kahlrasiertem Schädel, spielte ständig mit einem Messer und schwieg die meiste Zeit. Der breitschultrige große Mann mit dem langen schwarzen Haar und dem wallenden Schnurrbart schließlich schien ihr Anführer zu sein, sein Lachen war laut und ehrlich, seine Art ruppig und selbstbewusst.
Das war das Schlimmste: Zu sehen, dass sich die Männer verhielten wie … wie Menschen und nicht wie ach so böse Fomorer. Jeder von ihnen war unterschiedlich, mit individuellen Gefühlen, Charakterzügen und Vorgeschichten. Es waren keine Monster!
»Sprechen die eigentlich auch über irgendetwas, das wir brauchen können?«, flüsterte Magnus über Baturix’ Rücken hinweg zu Scipio.
Der Waldläufer schüttelte den Kopf.
»Scheiße.«
In diesem Moment wandte sich der russische Junge –
Verdammt, Fomorer! –
um und sah direkt zu ihnen. Baturix rutschte das Herz in die Hosen – der Kerl musste Magnus’ Flüstern gehört haben! Baturix langte nach der Dolchscheide, die er neben sich im Dreck liegen hatte, und wollte schon die Klinge ziehen, als Scipio hastig nach seinem Arm griff. Der Waldläufer stierte ihn mit schreckgeweiteten Augen und zusammengepressten Kiefern an.
Baturix erstarrte, den Blick wieder auf den Jungen gerichtet. Dieser ging an ihrem Gebüsch vorbei, sich schon im Gehen die Hose aufknöpfend. Offenbar war es Zufall gewesen, dass sich ihre Blicke gekreuzt hatten.
»Er geht bloß zum Scheißen!«, zischte Scipio leise.
Baturix setzte dazu an, sich zu rechtfertigen – schließlich hatte sich der Junge doch so merkwürdig umgedreht –, riss sich dann aber zusammen.
Kein Grund, nach Entschuldigungen zu suchen, wenn man von einem erfahreneren Mann belehrt wird.
Sie warteten eine weitere halbe Stunde. Der Junge kehrte zurück, dabei wieder nur knapp an ihrem Versteck vorübergehend; er schien sie jedoch auch diesmal nicht zu bemerken. Baturix atmete auf.
Schließlich machten die Russen sich endlich daran, sich schlafen zu legen. Zu ihrer Enttäuschung stellten sie eine Wache auf – den Stillen mit dem Messer. Nach ihrem bisherigen Verhalten hatte Baturix eigentlich nicht mehr damit gerechnet – aber man konnte nicht
immer
Glück haben …
Sein Herz begann schneller zu schlagen. Jetzt war bald der Moment gekommen, an den er seit zwei Stunden nicht denken wollte – der Moment, diese Männer umzubringen!
Ich bin kein Killer
, dachte Baturix,
mir geht es beschissen bei dieser
ganzen Sache!
Er bezweifelte, dass sein Gewissen dies als lindernde Umstände ansehen würde –
Mord ist Mord, ob ich mich schlecht dabei fühle oder nicht …
Dabei waren es nicht die ersten Menschen, die Baturix tötete, aber noch nie war es so heimtückisch geschehen wie jetzt. Selbst das Verbrechen, das er als anderer Mensch und vor langer, langer Zeit in der Außenwelt begangen hatte, verblasste davor …
Plötzlich kam Unruhe in die Russen (
Fomorer!,
versuchte eine innere Stimme die Männer, die sie töten mussten, zu dämonisieren, aber Baturix gelang es nicht mehr, etwas anderes in ihnen zu sehen als
Menschen
). Der Junge redete kurz und hastig mit dem Anführer. Baturix sah zu Scipio, der die Worte verstand, versuchte, an seiner Miene zu erkennen, was sich abspielte. Waren sie
doch
entdeckt worden? Der Waldläufer lauschte angespannt. Schließlich zog er die Augenbrauen nach unten, als der Anführer nickte und der
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