Schattenkrieg
sondern auch sein letzter sein würde.
KEELIN
Bergen, Norwegen
Mittwoch, 17. März 1999
Die Außenwelt
»Oh, shit!«, fluchte Ingmar, als er sah, wie Brynndrech in die Arena kletterte.
»Er bringt sich um«, murmelte Leiff.
»Was zum Teufel soll
das
denn?«, stieß Derrien aus.
Keelin war zu fassungslos, um ein Wort über ihre Lippen zu bringen.
Gemeinsam starrten sie nach unten. Die Zuschauer tobten in der Hoffnung auf weiteres Blutvergießen. Unter das Gegröle mischte sich verächtliches Gelächter, als ihnen Brynndrechs missgestalteter Körper auffiel.
»Trollschwuchtel!«
»Hat deine Mutter’ne Ziege gefickt?!«
»Der Glöckner von Paris hat weniger Buckel!«
»Shamrock! Zeig’s der Missgeburt!«
»Glöckner!«
Keelin schloss die Augen und schüttelte den Kopf. Sie konnte sich nicht ausmalen, was jetzt in Brynndrechs Kopf vorgehen musste. Durch welche Höllen war seine Seele geritten, um ihn soweit zu bringen, dort hinunterzusteigen, und welche Qualen erlitt sie nun, dem Spott des Mobs ausgesetzt?
»Sascha!«, brüllte Derrien. »Was
tut
er da?«
»Ich weiß es nicht!«, erwiderte sie, nicht gewillt, ihn an ihren Überlegungen teilhaben zu lassen.
»Er kann ihn doch gar nicht töten! Und sobald die merken, dass seine Wunden heilen, ist hier der Teufel los!«
Der Renegat sprang auf. »Ich verschwinde hier, das wird mir zu heiß, Dmitri.« Aus seiner Miene sprach Mordlust. »Wir sprechen uns noch.«
Als Martin außer Hörreichweite war, befahl Derrien wütend: »Und wir verpissen uns auch!«
»WAS?«, entfuhr es Keelin. »Wir können doch nicht –«
»Doch, wir können!« Derrien stand ebenfalls auf. »Wenn der Junge sein Leben wegwerfen will, ist das seine Sache, aber –« Er erstarrte plötzlich. Mit der Rechten tastete er in seinem Rücken. Mit eisiger Stimme fragte er in die Runde: »Wo ist mein Dolch?«
Ihre Blicke sprangen wie ferngesteuert zurück zu Brynndrech. Der Waliser hatte inzwischen Pullover und Shirt ausgezogen, so dass er nun mit nacktem Oberkörper in der Arena stand. In der Hand hielt er ein großes Messer …
»Das gibt es nicht!«, stammelte Derrien fassungslos. »Er hat mir den Dolch geklaut … Dieser kleine Hurensohn hat mir den Dolch geklaut …«
Keelin nickte. Das war also der Grund, warum Brynndrech vorhin noch mit Derrien gesprochen hatte.
»Egal!«, stieß Derrien aus. »Ob er den Mann dort unten tötet oder nicht, er kommt hier nie wieder lebendig heraus! Wir verschwinden!«
»Aber –«
»Kein Aber! Kommt jetzt!«
Er wandte sich ab und ging zielstrebig davon, gefolgt von Ingmar und Leiff. Keelin starrte ihnen ohnmächtig hinterher. Tausend Gedanken schossen durch ihren Kopf, tausend Pläne, wie sie Brynndrech dort unten herausholen konnte, einer unrealistischer als der andere. Ihr wurde schrecklich bewusst, dass sie alleine nichts ausrichten konnte. Sie würde ja noch nicht einmal wieder aus der Unterwelt herausfinden …
Tränen brannten in ihren Augen, Tränen der Hilflosigkeit und der Verzweiflung, als sie den anderen folgte. Sie verfluchte Derrien und Brynndrech dafür, dass sie sie in diese Lage gebracht hatten,und sich selbst für ihre naive Vorstellung, mit einem Leben als Druidin besser klarzukommen als mit einem als Krankenschwester.
»Keelin!«, zischte eine Stimme hinter ihr.
Keelin wirbelte herum, aus Schreck, ihren wirklichen Namen gehört zu haben. Hinter ihr war niemand. Sie schüttelte kurz den Kopf. Was war das denn schon wieder? Sie wollte sich schon zurückwenden –
»Keelin! Hier!«
Die Stimme kam von dem Tisch, an dem sie gerade vorbeigegangen war. Die Person, die dort saß, wirkte auf Keelin so unauffällig, dass sie sie beim ersten Hinsehen gar nicht bemerkt hatte. Auch jetzt fiel es ihr schwer, sich auf sie zu konzentrieren.
»Ich bin es, Alistair! Willst du ihm helfen?«
Alistair … Der Name kreiste in ihrem Kopf. Sie kannte ihn, doch woher … Dann fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. Alistair! Der Druide, der mit Brynndrech und Skjøld schon früher losgegangen war … Aber … Der Mann sah nicht aus wie der, den sie vor ein paar Stunden kennengelernt hatte … Verwirrt nickte sie.
»Dann halte den Schatten über uns davon ab, Verstärkung zu rufen! Ich werde versuchen, Brynndrech da unten herauszuholen, falls er den Kampf überlebt! Skjøld wird am Ausgang aus der Arena auf dich warten und dich nach draußen bringen!«
Keelin nickte schwach. Sie lief zur Treppe, wo sie sich noch einmal nach dem
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