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Schattenkrieg

Schattenkrieg

Titel: Schattenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Saumweber
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Junge zurück in den Wald lief.
    »Was ist?«, flüsterte Baturix, dabei den Jungen beobachtend, bis dieser in Nebel und Dunkelheit verschwunden war.
    »Er hat etwas verloren und glaubt, dass es dort hinten war«, erklärte Magnus und reichte Baturix ein kleines, ledernes Beutelchen. »Er sucht
das
hier, es ist ihm hier direkt vor meiner Nase aus der Tasche gefallen …«
    Baturix schluckte. Wenn der Junge es nicht fand, würde er sich schließlich unweigerlich auch dieses Gebüsch näher ansehen …
    »Wir müssen ihn ausschalten«, murmelte Scipio.
    »Die anderen werden sich nicht hinlegen, solange der Junge fehlt!«, entgegnete Magnus.
    Scipio verzog die Mundwinkel. »Aber wenn der Kleine erledigt ist, steht es drei gegen drei. Wir sind besser ausgebildet als die und haben dann immer noch den Hinterhalt auf unserer Seite. Wer macht’s?«
    Ein unangenehmes Schweigen entstand. Der Russe war noch so jung, dass er Baturix’
Sohn
sein könnte – oder Scipios Enkel. Ihn umzubringen …
    »Ich tue es«, entschloss sich Baturix abrupt. Wenn der Junge schon sterben musste, wollte er ihm zumindest damit Respekt erweisen, die Tat selbst durchzuführen und sie nicht einem anderen zu überlassen.
    Macht es das besser?,
fragte sein Gewissen.
Tot bleibt tot, und Mord bleibt Mord …
    Er zog das Dagda-Amulett hervor. Er schloss seine Faust darum, flehte den Totengott an, ihm die Kraft zu geben, zu tun, was von ihm erwartet wurde; dann küsste er es kurz und steckte es wieder zurück. Mühsam robbte er sich rückwärts aus dem Gebüsch, vorsichtig darauf achtend, kein Geräusch zu verursachen. In gebückter Haltung zog er langsam und leise den Dolch aus der Scheide.
    Jetzt gibt es kein Zurück mehr
, wurde ihm mit plötzlicher Klarheit bewusst. Die Einsicht trieb ihm den Schweiß auf die Stirn. Er wischte ihn mit dem Ärmel davon, bevor er dorthin pirschte, wo er den jungen Russen vermutete.
    Die Dunkelheit wurde nach wenigen Metern beinahe absolut, so dick war der Nebel inzwischen geworden. Sein Gehör musste ihm als Vorwarnung genügen …
    Verdammt blödsinnige Idee, in dieser Finsternis etwas zu suchen
, dachte Baturix und wunderte sich darüber, dass er in seiner Nervosität und Angst überhaupt zu solch einem Gedanken fähig war.
Warum hat er nicht bis morgen gewartet?
    »Igor? Eto tuy«, fragte plötzlich eine Stimme direkt vor ihm.
    Baturix zuckte vor Schreck zusammen, atmete scharf ein, ließ beinahe den Dolch fallen. Die Erkenntnis schoss ihm binnen einer Millisekunde durch den Kopf: Der Junge hatte genau das Gleiche gedacht wie er und die Suche abgebrochen.
    »Ey?«, fragte der Russe, lauter diesmal, plötzlich angsterfüllt. »Kto tam?«
    Baturix schnellte vor, die linke Hand ausgestreckt, die rechte mit dem Messer noch zurückhaltend. Er prallte auf einen Körper, umfasste ihn blitzschnell, stieß mit der Rechten zu. Der unerwarteteAufprall ließ sie beide stürzen; das alles geschah so schnell, dass der Junge erst im Umfallen zum Schreien kam. Der Schrei endete abrupt, als ihm der Sturz die Luft aus den Lungen trieb; Baturix, der auf ihm lag, stach erneut zu, noch einmal, noch einmal,
du hast es verpatzt
, und noch einmal und noch einmal. Mit jedem Stich zuckte der Junge stöhnend zusammen, während sich sein warmes, klebriges Blut über Baturix’ Hand und Hemd ergoss. Irgendwann ging das Stöhnen in ein Röcheln über, doch auch das endete nach dem zehnten oder zwölften Stich.
    Baturix hielt inne. Er hörte ein lautes Rauschen in seinen Ohren und das heftige Pochen seines Herzens; sein Atem kam nur noch stoßweise. Seine Hände schmerzten heftig, die eine, weil der Junge auf sie gefallen war und noch immer auf ihr lag, die andere, weil er den Dolch so heftig umklammert hielt, dass sich seine Fingernägel in seine Handballen gegraben hatten. Er spürte das Blut des Jungen auch in seinem Gesicht, konnte sich im Moment jedoch nicht vorstellen, wie es dorthin gekommen war.
    Es dauerte, bis er endlich realisierte, dass hinter ihm Lärm ausgebrochen war. Schreie und Rufe, russische wie keltische, und sein Name, immer wieder. Noch während er sich aufrappelte, schoss ein weiterer Gedanke durch seinen Kopf:
Diesmal wird dich dein Verbrechen tatsächlich das Leben kosten …
    In einer Woge aus Verzweiflung, Selbsthass und Wut über das Glück, das ihn so plötzlich im Stich gelassen hatte, rannte er zurück zum Lager der Russen. Er wusste, dass der Kampfschrei, den er dabei ausstieß, vermutlich nicht nur sein erster,

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