Schattenkrieg
Verdauung.
Und warum zum Teufel tat seine Brust so weh?
Vorsichtig, um Margit nicht aufzuwecken, tastete er mit dem freien Arm nach seiner Brust.
Seine Hand fand mehrere Stoffbahnen um sich geschlungen, genau an der Stelle des Schmerzes war darunter ein Stofflappen geklemmt.
Ein Verband!
schoss ihm durch den Kopf. Die Sache wurde immer mysteriöser. War ihm etwas zugestoßen? Seine Hand ging zum Hals, um sich zu kratzen. Der frisch gewachsene Bart, den er zurzeit nicht rasieren konnte, juckte fürchterlich.
Was genau hinderte ihn denn eigentlich daran, sich zu rasieren?
Sein Bezug zur Realität verschwamm. Er hatte das manchmal, seitdem er in die Innenwelt gekommen war, so schlimm war es allerdings noch nie gewesen –
Moment!
Innenwelt
?!
Die Erkenntnis traf ihn wie ein Faustschlag in die Magengrube. Er zuckte zurück, als er kapierte, dass die Person neben ihm keineswegsseine Margit war – seine geliebte, süße kleine Margit –, sondern Scipio, der alte Waldläufer, dem zu folgen Cintorix ihm aufgetragen hatte. Er schaffte es gerade noch, nicht aufzuschreien.
Scipio grunzte und wälzte sich herum. »Gib die Decke zurück!«, brummte er unwirsch.
Baturix wollte sich entschuldigen, doch er spürte einen unglaublichen Kloß im Hals und brachte keinen Ton heraus. Seine Augen brannten, er wusste, dass er die Tränen gleich nicht mehr zurückhalten konnte. Hastig schälte er sich aus den Decken, warf sie Scipio über die Brust und kroch aus dem Zelt. Auf seiner eiligen Flucht durch die Dunkelheit stolperte er mehrere Male, einmal stürzte er sogar und schlug der Länge nach hin. Erst nachdem er eine sichere Entfernung zum Zelt zurückgelegt hatte, ließ er sich auf einen Felsen sinken und begann zu schluchzen.
Margit … von allen Göttern verdammte Margit!
Wie konnte er? Wie konnte er nach all den Jahren immer noch an sie denken, sie, die ihn verraten und verkauft hatte? Warum liebte er sie immer noch? Warum vermisste er sie, sie und den Sohn, dem er keinen Namen gegeben hatte, den er nicht hatte aufwachsen sehen, den er gar nicht kannte? Sie, die ihn gedemütigt hatte, die
er
gedemütigt hatte wie keine andere? Von der er geschworen hatte, nie wieder an sie zu denken? Er
hatte
eine Familie, hier, in der Innenwelt, seine Alanna, seine Söhne und Töchter! Warum nur musste er sie so verraten und immer wieder an Margit zurückdenken?
Er konnte das Wissen über seine Schwäche kaum ertragen. Wenn er jemals wieder auf Margit treffen würde und sie ihm zu verstehen gäbe, dass alles so sein könnte wie früher, würde er wie ein Hund zu ihr laufen, trotz allem, was sich zwischen ihnen ereignet hatte. Sein Herz würde immer ihr gehören …
Nur gut
, schaltete sich sein Verstand dazu,
dass
sie
draußen in der Außenwelt ist und
du
in der Innenwelt …
Seine Tränen versiegten. Mühsam machte er sich daran, die Dämonen wieder in ihre Schranken zu weisen, sie zurück in das Verlies zu treiben, das er in seinem Verstand für sie geschaffen hatte,als er Alanna heiratete. Er würde sich wappnen müssen für den Tag, an dem sie erneut hervorkommen würden; die Hoffnung, dass die alte Wunde endlich heilen würde, konnte er wohl endgültig begraben.
Ein Frösteln lief durch seinen Körper. Es war kalt draußen, kalt, neblig und feucht, und wenn er sich nicht erkälten wollte, sollte er schleunigst zurück ins Zelt. Davor noch schnell pinkeln …
Während er sich gegen einen Baum erleichterte, fragte er sich, wie es wohl Magnus ging. Er war der Einzige gewesen, der ernstlich verwundet worden war in dem Scharmützel vor zwei Nächten. Schrammen hatten sie alle abgekriegt, Baturix sogar einen Stich in die Brust, doch die Klinge war an seinen Rippen hängengeblieben, weil der Fomorer im falschen Winkel zugestoßen hatte. Baturix hatte ihn getötet, bevor er zu einem zweiten Stich gekommen war. Sie hatten Magnus zurück zum Heer geschickt, um dort Bericht zu erstatten und sich von den Heilern helfen zu lassen. Hoffentlich war er nicht auf weitere Fomorer gestoßen …
Baturix knöpfte die Hose wieder zu und ging zum Zelt. Er dachte an den Jungen zurück, den er vorgestern getötet hatte, und an den Fehler, den er begangen hatte. Er hätte ihm gleich die Kehle durchschneiden müssen, dann hätte er nicht mehr schreien können.
Die Erinnerung trieb ihm die Schamesröte ins Gesicht. Der Tod des Jungen lastete schwer auf seinem Gewissen. Doch beinahe noch schlimmer war, dass nicht Baturix selbst, sondern Magnus für
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