Schattenkrieg
Heer noch nicht entdeckt. Vielleicht werden wir schon längst beobachtet und marschieren in eine Falle! Ich glaube, ich werde mich erst sicher fühlen, wenn wir uns mit der Armee aus Dachaigh na Làmhthuigh zusammengeschlossen haben.«
Derrien nickte langsam. Eine gute Aufklärung war unglaublich wichtig für den Erfolg eines Kriegszuges. Die Gefahr, dass die des Gegners besser war und somit einen Hinterhalt vorbereiten konnte, war ein Risiko, das jedes marschierende Heer einging. »Ihr macht das schon«, meinte er und klopfte Ronan gegen die Schulter. Dann setzte er sich auf den Stuhl, den ihm Cintorix vorhin angeboten hatte, und nickte den versammelten Druiden zu.
Die Spinne verlor keine Zeit. »Willkommen! Habt Ihr Neuigkeiten aus der Stadt?«
Einer von Cintorix’ Männern reichte Derrien einen hölzernen Bierkrug, aus dem er erst einmal einen tiefen Zug nahm. Dann nickte er. »Die Renegaten stehen für diese eine Aktion auf unserer Seite,
wenn
wir den abgemachten Preis zusätzlich um ein Versprechen erhöhen: Wir halten uns in Zukunft für immer aus den Geschicken der Stadt heraus.«
»Blödsinn!«, warf Avernix sofort ein. »Wenn die Schatten dort noch einmal zu mächtig werden, müssen wir uns wieder darum kümmern!«
»Avernix«, meinte ein jüngerer Druide mit irischem Dialekt, dem Derrien im Moment keinen Namen zuweisen konnte, »wenn dieser Kriegszug erfolgreich ist und wenn es Derrien gelingt, die Außenwelt zu säubern, dann werden in Bergen keine Schatten mehr
sein
, die zu mächtig werden könnten.«
Du hättest recht, Junge
, dachte Derrien,
wenn wir wüssten, wie sich diese verdammten Viecher vermehren …
Laut sagte er jedoch nichts. Das hier war Politik. Zu allen Göttern hatte er geschworen, sich aus Politik herauszuhalten.
Seine Einmischung war auch gar nicht nötig. Sabinus dachte in eine ähnliche Richtung. »Doch«, widersprach er dem Iren. »Zumindest, wenn im Frühjahr ein neuer Schwarm ausschlüpft …«
»Das bringt uns zu unserem größten Problem«, meinte die Spinne und wandte sich an Derrien. »Wissen die Renegaten etwas über dieses Geheimnis?«
Missmutig schüttelte Derrien den Kopf. »Nach allem, was wir wissen, könnten sie aus dem Himmel fallen! Es ist nur sicher, dass es im Frühjahr geschieht, und sogar das ist unpräzise.«
»Warum das?«, fragte Casey MacRoberts.
»Weil wir eigentlich nur wissen, dass sie im Frühjahr
auftauchen
, nicht, ob sie sich da auch vermehren Wer weiß, vielleicht schlummern sie davor zehn Jahre lang in irgendwelchen Tanks in einem Labor?«
»Das kann nicht sein«, erwiderte Avernix. »Die Schatten gibt es schon länger als die Labore der Außenwelt!«
Derrien zuckte unbeeindruckt mit den Schultern. »Dann eben etwas Entsprechendes. Zum Beispiel könnten sie wie die Vampire aus den Legenden jahrelang in Särgen liegen, bevor sie im Frühjahr auftauchen.«
Avernix wollte auch darauf schon antworten, doch die Spinne kam ihm zuvor. »Das gehört zu den absolut wichtigsten Informationen,die wir benötigen! Habt Ihr den Renegaten einen guten Preis dafür geboten?«
»Einen sehr guten. Aber angeblich behaupten die Ratten sogar unter schwerster Folter, dass sie nichts darüber wissen. Was bedeutet, dass es mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit in der Innenwelt passiert, sonst hätten die Ratten früher oder später Wind davon gekriegt.«
Derrien erntete Zustimmung. Er nutzte die kurze Pause, die entstand, noch einmal von seinem Bier zu trinken. Dann entschied er, dass der Zeitpunkt gekommen war, die Katze aus dem Sack zu lassen. »Ihr solltet nun alle Diener und niederen Ratsmänner hinausschicken. Ich habe eine Nachricht, die nur für die Häuptlinge bestimmt ist.«
Die Aussage brachte ihm einige geringschätzige Blicke ein. Die Spinne starrte ihn für ein paar Augenblicke an, bevor er unwillig meinte: »Also gut.«
Ein paar der Fürsten verstanden nicht gleich, dass in diesen beiden Worten ein Befehl steckte, und zogen sich erst zurück, als Cintorix ihnen einen deutlichen Wink gab. Ihre Gesichter waren pikiert und verärgert.
Schließlich, als alle überflüssigen Ohren in sicherer Entfernung waren, beugte sich Derrien vor und sagte mit leiser Stimme ohne Umschweife: »Laut den Renegaten sind in der Gegend von Bergen in den letzten drei Jahren ungefähr siebzig- bis achtzigtausend Menschen verschwunden.«
Sofort herrschte schlagartig Stille. Die Ratsmänner starrten ihn mit einer fassungslosen Intensität an, als ob sie Löcher in
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