Schattenkrieg
zur Seite zu schieben … und stieß zu.
Der Fomorer stöhnte auf, zappelte mit den Beinen, seine Hand umklammerte die ihre wie ein Schraubstock, und er begann, Blut zu husten. Keelin zählte die Sekunden, um ihn nicht ansehen zu müssen, um nicht an ihn
denken
zu müssen; als sie bis siebzehn gezählt hatte, war es vorbei. Sie schloss seine Augen und zog die Klinge aus seiner Brust. Dann stand sie auf und ging weiter.
Danach wurde es einfacher. Keelin hatte ihren Gefolgsleuten gezeigt, dass sie vor der Drecksarbeit nicht zurückschreckte, doch abnun würden auch die anderen töten müssen, es blieb nicht alles an ihr hängen. Dennoch verlor sie den Überblick, wie viele Leben sie an diesem Tag auslöschte. So sehr sie sich auch einredete, dass es
gerechtfertigt
war, was sie tat – es blieb schlimm und grausam, vor allem, wenn die Verwundeten noch wach und klar waren.
Sie töteten jedoch nicht
nur
. Sie fanden zahlreiche Fomorer, die nicht allzu schwer verwundet waren, und auch ein paar Iren und Schotten hatten die Hölle überlebt, in die sich die rechte Flanke während der Schlacht verwandelt hatte. Keelin verband Wunden, schiente Knochenbrüche, renkte Gelenke ein und operierte Pfeilschussverletzungen. Dazwischen lief sie zwischen ihren Gefolgsleuten auf und ab, um ihnen mit Rat oder helfender Hand zur Seite zu stehen. Nach einer Zeitlang war sie so in der Hektik ihrer Arbeit aufgegangen, dass sie kaum noch bemerkte, wie grausig ihre Arbeit war und was um sie herum geschah.
Am frühen Nachmittag kehrte das Heer zurück, das den flüchtigen Fomorern nachgestoßen war. Zehntausend Männer begannen, den Wald zu fällen, um Feuerholz für die anstehende Totenverbrennung zu erhalten. Keelin nahm es nur am Rande wahr, genauso wie den Nebel, der mit jeder Stunde dichter und dichter wurde. Mit dem Nebel kam die Feuchtigkeit, und bald hatten sich die ehemals trockenen grünen Wiesen in einen vom Krieg aufgewühlten schlammigen Acker verwandelt.
Schließlich tauchten einige grün bewamste Krieger in ihrer Nähe auf.
Die
bemerkte Keelin, vor allem, weil Justus das Schlachtfeld für tabu erklärt hatte, solange die Heiler nicht mit ihrer Arbeit fertig waren. Keelin beobachtete sie misstrauisch; sie hatte keine Lust, sich mit Plünderern auseinanderzusetzen oder mit Männern, die in panischer Hektik nach Verwandten und Bekannten suchten und sie in ihrer Arbeit störten. Als sie noch näher kamen, rief sie ihnen deshalb zu: »Ihr da! Richtet dem Feldherrn aus, wir sind hier noch nicht fertig!«
Die Männer ließen sich nicht davon abhalten, näher zu kommen. »Herrin«, rief einer von ihnen auf Walisisch, »drüben auf deranderen Seite sind einige der Untoten wieder aufgestanden und haben ein paar von den Heilern getötet. Medredydd lässt deshalb Wachen auf dem Schlachtfeld aufstellen!«
Keelin hätte nicht gedacht, dass sie heute noch etwas erschrecken konnte, aber sie hatte sich getäuscht – das Bild, das die Worte des Kriegers in ihrem Kopf entstehen ließen, jagte einen Schauer ihren Rücken hinab. »Also gut, dann bleibt hier. Haltet die Augen offen!« Sie wandte sich wieder ihrer Aufgabe zu und hatte die Waliser im nächsten Moment vergessen.
Ganz in ihrer Nähe bemerkte sie einen Pfahl mit einem roten Fähnchen. Es war ein Signalpfahl, von dem jeder der Heilergefolgsleute mehrere trug. Rot war ein Marker für einen gefallenen Druiden. Sie ging darauf zu.
Ein ganzer Knäuel von Toten lag hier am Boden, wo die Schlacht offenbar besonders hart gewütet hatte. Keelin fand eines der grausigen Banner der Fomorer am Boden. Die Angst, die sie am Morgen befallen hatte, als sie sie zum ersten Mal sah, war inzwischen jedoch verschwunden; wahrscheinlich hatte sie einfach inzwischen zu viele Tote gesehen.
Sie suchte weiter und fand ein zweites Banner, der Holm selbst im Tode noch von seinem irischen Bannerträger umklammert. Das grüne Tuch hatte sich teilweise voll Blut gesaugt und sich schwarz verfärbt. Das Symbol darauf war … ein weißes Schaf! Keelin rutschte das Herz in die Hose. Es war das Wappen des Irenhäuptlings Dempsey, dem sich auch Brynndrech angeschlossen hatte! Doch sie sah weder die Leiche des einen noch des anderen hier liegen. Steckte das Fähnchen etwa nur wegen des Banners hier?
Als sich Keelin noch einmal etwas genauer umsah, fiel ihr ein Toter ohne Kopf auf, der direkt bei dem Pfosten lag. Er wirkte geradezu unwirklich klein, fast wie ein Kind; selbst
mit
Kopf konnte der Mann nicht
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