Schattenkrieg
wie Ryan und Murdoch zusammenzuhalten und ihre Talente zu nutzen.
Und nutzt man ein Talent an falscher Stelle, kann es Köpfe kosten …
Als er wieder zurückschwamm, war seine Wut verraucht. An ihre Stelle waren Sorge und Frustration getreten.
Auch nicht viel besser,
seufzte er innerlich,
aber zumindest werde ich Ryan heute Abend nicht mehr an die Gurgel gehen …
Rasch zog er sich wieder an und kehrte zurück in das Lager. Als er sein eigenes Zelt betrat, stieg ihm der Geruch gebratenen Fleischs in die Nase. Er schlug den Eingang zur Seite und trat hindurch.
Seine Druiden warteten bereits auf ihn. Im Schein mehrerer Kerzen schnitt Deweydrydd gerade Scheiben von einer Hirschkeule ab. Ryan saß mit steinerner Miene daneben und widmete seine ganze Aufmerksamkeit dem hölzernen Bierkrug, den er in Händen hielt. Ihm gegenüber saß Murdoch und grinste sein zahnloses Grinsen. Auf dem Tisch war die Karte ausgebreitet, die Ryan vorher noch studiert hatte.
Derrien griff nach einem der bereitstehenden Krüge und nahm einen kräftigen Zug. Das Bier schmeckte besonders bitter, vermutlich aus den Vorräten, die die Helvetier ihnen kürzlich übergeben hatten. Dann wandte er sich der Karte und der Hirschkeule zu, die Deweydrydd an seinen Platz stellte.
»Mit dem Tross brauchen wir mindestens sechs Tage länger, bis wir den Jostedal erreichen«, lispelte Murdoch. Sein dämliches Grinsen und seine Aussprache konnten leicht dazu führen, ihn für einen Dummkopf zu halten. Den Fehler hatte schon mehr als ein Fomorer mit seinem Leben bezahlt – und auch so mancher Schatten. Zwar nannten ihn die Nain den Druiden ohne Zähne, doch er hatte schon oft genug bewiesen, dass der Biss seiner Klinge immer
noch
gefährlicher wurde. Gefangene murmelten den Spottnamen nicht mehr nur verächtlich, in ihren Stimmen klang der Respekt vor einem starken Gegner mit. »Wir sollten ihn hier lassen oder vorausreiten, das spart uns die Hälfte der Zeit, und der Ire ist sowieso nicht scharf auf das Kämpfen.«
»Halt den Rand!«, knurrte Ryan.
Murdoch ignorierte ihn. »Der Weg am Geirangerfjord ist am schnellsten. Wenn wir uns beeilen, sind wir in acht Tagen am Jostedalsbreen.«
»Falls die Schatten am Geirangerfjord keine Augen haben«, kommentierte Deweydrydd. »Quintus’ Kundschafter haben denFjord aus gutem Grund im Osten umgangen.« Er deutete auf einen See, der dort eingezeichnet war.
»Wenn sie am Jostedalsbreen siedeln, könnt ihr
Gift
darauf nehmen, dass sie einen Posten am Geirangerfjord haben«, warf Ryan ein.
»Die Alternative ist, zurück zum Otta zu reiten, so wie wir hergekommen sind. So wie die Kundschafter geritten sind.«
Derrien nickte. Quintus hatte riesiges Glück gehabt. Er war zu seiner Patrouille aufgebrochen, kurz bevor Derrien das Feldlager am Otta aufgelöst hatte. Von dort aus war der Pfad im Osten kürzer gewesen. Wäre er von
hier
losgeritten, wäre er mit Sicherheit am Geirangerfjord entlang nach Süden geritten und wäre sofort entdeckt worden.
»Wenn sie auf unseren alten Lagerplatz gestoßen sind«, dachte Derrien laut nach, »haben sie wahrscheinlich auch die Spuren hierher entdeckt. Wahrscheinlich würden wir ihnen geradewegs in die Arme reiten.«
Wieder war es der Fuchs, der antwortete: »Aber sie rechnen nicht damit, dass wir mit unserer gesamten Stärke zurückkehren. Und sie entdecken uns nicht
so
früh wie auf dem Weg über den Geirangerfjord.« Ryan hatte sich die Sache wohl schon mehrmals durch den Kopf gehen lassen …
Eine Schande, dass er nicht selbst gehandelt hat!
Er hatte recht, keine Frage. Wenn sie dem Pfad am Geirangerfjord folgten, mussten sie für einige Zeit seinem Nordufer folgen, wo sie ein Späher am Südhang schon Stunden im Voraus bemerken konnte. Die Waldpfade im Osten waren dagegen nicht annähernd so gut von den Bergkämmen aus einsehbar; falls sie dort einem Späher begegneten, hatten sie gute Chancen, ihn zu bemerken oder gar aufzuhalten.
»Wenn wir eine kleine Vorhut vorausschicken«, meinte Deweydrydd, »ziehen sich ihre Kundschafter vielleicht zurück, bevor sie unsere wahre Stärke erkannt haben. Und wenn sie warten, greift sie die Vorhut vielleicht auf.«
»Ich könnte das übernehmen«, bot sich der Fuchs an.
Er will mir beweisen, dass er kein Feigling ist. Und er will seinen Fehler wiedergutmachen
Doch was geschehen war, war geschehen. Wenn Rushai Quintus entdecken sollte, würde das passieren, bevor sie ihm zu Hilfe eilen konnten. Die Gelegenheit, ihn zu
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