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Schattenkrieg

Schattenkrieg

Titel: Schattenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Saumweber
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hier zu warten, ist nicht auf meinem Mist gewachsen, ja?«
    »Ich weiß schon, wer das verbockt hat«, gab Derrien im gleichen Tonfall zurück. Dann erklärte er: »Wir besprechen uns in einer halben Stunde.« Er wandte sich um, ließ die beiden am Brunnen stehen. Über die Schulter hinweg rief er ihnen noch zu: »Ach, und gebt auch dem Iren Bescheid.«
     
    Fünf Minuten später stand er am Ufer, wo im Brennnesselgestrüpp die Überreste mehrer halbverrotteter Wikingerschiffe verborgen lagen. Der Tafjord lag vor ihm, ein schmaler Wasserarm mit steilen Berghängen zu beiden Seiten, deren schneebedeckte Gipfel in den tiefhängenden Wolken verschwanden. Die Wasseroberfläche war stahlgrau, ein starker Westwind trieb schäumende Wellen heran. Weiße Möwen kreisten um die Mündungeines Baches, wo die Waldläufer ein paar Aalreusen versenkt hatten.
    Es hatte zu regnen begonnen, weshalb Derrien seine Kleider unter die ausladenden Äste einer Buche legte, um sie trocken zu halten. Die kalte Luft ließ ihn zittern, auch wenn die schneidende Kälte des frühen, norwegischen Winters die Niederungen der Fjorde noch nicht ganz erreicht hatte. Nackt kletterte er über den felsigen Strand zum Wasser und watete hinein.
    Als er seinen Körper ganz eintauchte, schien sein Herzschlag in der plötzlichen Eiseskälte für eine Sekunde auszusetzen. Hastig tauchte er wieder auf und schnappte japsend nach Luft. Erst nach und nach gelang es ihm, seine Atmung zu beruhigen und den Fluchtinstinkt zu ignorieren. Die heftige Reaktion auf die Kälte machte ihm einmal mehr deutlich, dass sein Körper nichts wusste von seiner Druidenmagie. Derrien besaß eine magisch übersteigerte Zähigkeit, die ihn eine Kälte bis hin zum Gefrierpunkt mühelos überstehen ließ, doch sein Körper benahm sich so, als ob er sich gleich in einen Eiszapfen verwandeln würde … Mit kräftigen Armzügen schwamm er hinaus. Die Kälte, die Bewegungen, die so anders waren als die Strapazen des tagelangen Reitens, halfen, ihn wieder zur Ruhe kommen zu lassen.
    Verdammte Wut!
    Die Wut war jedem Druiden mit in die Wiege gelegt. Der Kontakt zu den Ahnen, der ihnen ihre Stärke gab, war zugleich auch ihre Schwäche. Die Ahnen waren es, die nach Blut und Gewalt gierten und die ständig versuchten, einen Druiden in diese Richtung zu drängen. Dazu kam, dass Derriens Vater ein besonders unbeherrschter und jähzorniger Mann gewesen war. Ahnenstimmen
und
eine schlechte Selbstbeherrschung ergaben keine besonders gute Kombination … Er fragte sich oft, wie es Ronan schaffte, so ruhig und ausgeglichen zu sein.
    Dennoch hatte er Glück. Sein Baumzeichen war die Eiche, der angesehenste aller Bäume. Sie hatte ihm die Kraft verliehen, den Menschen als idealer Anführer zu erscheinen. Er vermutete, dassdie Waldläufer nur deshalb seinen Jähzorn ertrugen, weil sie einem anderen bestimmt schon lange den Rücken zugekehrt hätten. Dennoch musste er darauf achten, nicht völlig die Kontrolle über seine Wut zu verlieren. Es gab Geschichten darüber, wie Druiden in Berserkerwut verfielen, in der sie nicht mehr Freund von Feind unterscheiden konnten. Er hatte sich geschworen, es niemals so weit kommen zu lassen. Deshalb tat er alles, um seine Wut in Grenzen zu halten – Schwimmen zum Beispiel.
    Seine Gedanken kehrten zurück zu Quintus. Der Helvetier war sein bester Mann, eine gesunde Mischung aus Ryan, dem vorsichtigen Fuchs, und Murdoch, dem wütenden Wolf, doch ob er es mit einem Schattenlord von Rushais Kaliber aufnehmen konnte, war fraglich. Sein Verlust würde Derrien hart treffen. Er besaß ohnehin nur wenige Druiden – nun, da Rushai am Jostedalsbreen gesichtet worden war, war auch Pilix’ Schicksal ungewiss. Der Gallier führte die Sognefjord-Patrouille an, doch mit Rushai im Rücken konnte ihm alles Mögliche zugestoßen sein … Einmal mehr wälzte Derrien die Frage, ob er nicht besser über die Außenwelt nach Süden hätte reisen sollen, um dort Quintus oder Pilix zu treffen. Doch wie immer kam er zur gleichen Antwort. Er war eine Eiche auf dem Pfad des Kriegers und Anführers, und obwohl er schon seit dreißig Jahren in den Wäldern lebte, fehlten ihm einige der wichtigen Kundschafterkräfte. Ein einziger Fehler nur würde ausreichen, um von Rushai entdeckt zu werden. Und das würde nicht nur
sein
Ende bedeuten.
    Nein. Derrien musste sich auf seine Stärken verlassen, auf seinen Verstand und seine Druidenkräfte. Durch ihre Hilfe gelang es ihm, so unterschiedliche Leute

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