Schattenkrieger: Roman (German Edition)
jedoch sofort wieder, als ein weiterer Ausläufer herabsauste und mit der gezackten Klaue seine Lederrüstung aufriss. Mühelos glitt die Kralle durch das Leder und fügte ihm obendrein eine tiefe Risswunde in der Brust zu, die sofort heftig zu bluten begann. Jetzt war jede Vorsicht vergessen.
»Mehr bringst du nicht zuwege?«, knurrte er. Er fuhr herum, wich geduckt einem Tentakel aus und trennte ihn ab. Dann nahm er das Schwert in die linke Hand, streckte sich und zog mit der Rechten Jereks Axt aus dem Rumpf. Aus der Wunde ergoss sich ein Springbrunnen stinkender Flüssigkeiten, die ihn von Kopf bis Fuß bedeckten, doch das war ihm jetzt einerlei.
»Ich bin halb ertrunken«, sagte er und schlug die Waffen gegeneinander, dass sie laut klirrten. »Aufgeschlitzt wie ein Fisch.« Wieder ließ er die Waffen klirren. »Ich habe ein Fieber, das schlimmer ist als der Tod.« Noch ein Klirren. »Und obendrein muss ich bei diesem verdammten Regen pissen wie ein Pferd.« Ein weiteres Waffenklirren. »Also habe ich keine Lust, hier herumzustehen und mich von Kreaturen wie dir piesacken zu lassen.« Ein letztes Klirren.
Dann setzte er sich in Bewegung, führte die Waffen unabhängig voneinander und durchtrennte nacheinander die sich schlängelnden Gliedmaßen, die ihn packen wollten. Er rollte sich ab, duckte sich vor einem zweiten Tentakel und schaffte es, dem schwammigen Körper des Wesens auszuweichen. Er musste Stöße gegen die Schulter und den Rücken einstecken, ein Tentakel konnte sich sogar um sein Bein wickeln, ehe er ihn abhacken konnte. Das Herz hämmerte wie wild in seiner Brust, und seine Atemzüge waren nur noch ein mühsames Keuchen, doch er wagte es nicht, auch nur eine Sekunde zu verschnaufen.
Nicht lange, und die Angriffe wurden zögernder und hörten schließlich ganz auf. Blinzelnd vertrieb er die Regentropfen und die Absonderungen der Kreatur aus den Augen. Jerek befreite sich gerade von dem letzten Anhängsel. Offenbar war er ausgesprochen wütend und mit Unrat bedeckt, aber sonst unverletzt.
Vor ihm ragte der Rumpf der Abscheulichkeit auf, die jetzt keine Gliedmaßen mehr besaß, wenn man von den beiden Tentakeln absah, auf denen sie stand. Endlich hörte auch der Kopf zu zittern auf.
»Hast du jetzt genug?« Er krümmte sich, und sein Herz fühlte sich an, als wollte es aus der Brust springen. Ich muss nur schnell Luft holen.
»Kayne«, keuchte Jerek. Es klang wie eine Warnung. Mit großer Mühe hob er den Kopf.
»Verdammt.«
Die abgetrennten Gliedmaßen wuchsen mit erschreckender Geschwindigkeit nach und sprossen wie garstige Ranken aus den Schultern des menschenähnlichen Rumpfs. Jerek schüttelte den Kopf und spuckte aus. Er machte sich anscheinend große Sorgen. »Wie bringen wir das Biest um?«
Brodar Kayne wusste keine Antwort. Er war erledigt, nachdem er seinen Körper bis weit über die Grenzen beansprucht hatte.
»Weg da!«
Der Ruf kam von hinten. Das Mädchen. Er versuchte, sich umzudrehen und ihr zuzurufen, sie solle fliehen, doch die Anstrengung war zu viel für ihn. Jerek schnitt eine Grimasse und wich seitlich aus. Die Sehne der Armbrust summte, und auf einmal hatte der magische Schrecken einen Armbrustbolzen im Maul.
»Lauft!«, schrie Sasha. Jerek packte Kayne und zog ihn fort.
Nicht zum ersten Mal in dieser Woche explodierte die ganze Welt.
»Uff.«
»Ruhig. Dein Körper hat große Qualen erdulden müssen. Selbst ein junger Mann könnte sich glücklich schätzen, die Wunden zu überleben, die du dir zugezogen hast.«
Er kannte die Stimme nicht. Anscheinend gehörte sie einem alten Mann. Oder jedenfalls einem, der nicht mehr ganz jung war.
Außerdem gelang es ihm nicht, die Augen zu öffnen. »Wo bin ich?«, fragte er und kämpfte die aufsteigende Panik nieder.
»Im Dorf Ebertor. Du bist in meinem Haus. Deine Freunde sind bei mir. Die Explosion hat dich vorübergehend geblendet, oder vielleicht waren es auch die Säfte, die du in die Augen bekommen hast. Jedenfalls bin ich zuversichtlich, dass du bald wieder sehen kannst.«
»Ich bin hier, Kayne«, ließ sich Jerek vernehmen – grob, unfreundlich und in diesem Augenblick das angenehmste Geräusch auf der ganzen Welt.
»Was ist passiert?«, quetschte er heraus.
»Ich hatte noch etwas von Vicards Pulver«, erklärte eine Frauenstimme, die er als Sashas erkannte. »Ich hatte es im Jammertal aus seinem Rucksack genommen. Isaac hat schon vor einer Weile einen Bolzen für mich ausgehöhlt, den ich mit dem Zeug füllen
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